Drei Tage re:publica – ein Erfahrungsbericht
Als vor einigen Jahrzehnten das Internet mit den ersten 56k-Modems auch in deutsche Haushalte Einzug erhielt, war das Netz noch ein exklusiver Raum. Jung, ungeordnet und rechtsfrei. Liebevoll wurden damals Politiker, die sich der Digitalisierung widmeten noch als »Internetausdrucker« bezeichnet. Und es soll sogar noch heute Menschen geben, die das Internet als Modeerscheinung bezeichnen.
Vor zehn Jahren starteten einige der heute bekanntesten Stars der Szene mit der re:publica den Versuch, die virtuelle mit der realen Welt zu verbinden. Im kleinen Kreis, gerade einmal 700 Menschen, versammelte man sich 2006 in der Kalkscheune in Berlin. Internet oder gar WLAN gab es beim ersten Treffen nicht. Dafür aber eine Menge Kreativität, Innovationswillen und Diskussionsbedarf, glaubt man den Machern der Internetkonferenz.
Und so ist die re:publica heute längst zu einer Hausmarke geworden und bietet für viele der Netzaktivisten und Nerds den Höhepunkt des digitalen Jahres. Dabei ist sie längst im Mainstream angekommen und zieht auch Club-Mate-schlürfende Teenies an, die den C64 allenfalls aus dem Museum kennen.
Doch der Wille das Internet greifbar zu machen und analoge Diskussionsplattform zu bieten scheint ungebrochen. Und so kann man die re:public als Abbild der virtuellen Welt verstehen, die beim ersten Besuch schnell Überforderung hervorruft, weil es so viel zu entdecken gibt. Anders als digital, unterliegt das Event jedoch den Kräften der Physik und so gilt es sich zu entscheiden, wie man seine Zeit sinnvollsten verbringt, ohne etwas Wichtiges zu verpassen - eine schier unmöglich Aufgabe. Doch hier zeigt sich der Charakter der Netzgemeinde: es ist ein stetes Kommen und Gehen. Was nicht interessiert, wird weggeklickt.
Ein Radioreporter fragte mich, ob die re:publica noch die richtigen Schwerpunkte setzt. Ich konnte ihm die Frage nicht beantworten. Sicherlich sind über 100 Euro für ein Ticket kein Schnäppchen und schlägt auch mit 6 Euro aufwärts für ein mittelgroßes Mittagessen ordentlich zu Buche. Sicherlich kann man auch über die Nachhaltigkeit der Konferenz streiten. Sicherlich gibt es ebenfalls berechtigte Stimmen, die sagen, dass man sich den Feind ins eigene Haus hole, wenn fadenscheinige Sponsoren, wie Telekom oder Google, das Event mit finanzierten. Oder die Macher ihre eigene Veranstaltung konterkarierten, wenn einige der Vorträge über Hetze, Hatespeech oder Hass im Netz gehalten würden und gleichzeitig Bild.de-Chef Julian Reichelt geladen wird, um über »die Macht der Bilder« zu diskutieren. Zumindest in den letzteren beiden Fällen kann man aber auch feststellen, dass dadurch erst ein Dialog entstehen kann, weil die Möglichkeit entsteht statt über einander, mit einander zu reden.
Aber irgendwie ist ja momentan sowieso ein ganz anderer der Feind: die NSA, respektive BND. Vielleicht stehen die ja in den kommenden Jahren auch mit einem Stand in der Halle und verkaufen Regenschirme. #manhatschonpferdekotzensehen
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