Demnächst in der Friedhofskapelle
Das Kinder- und Jugendtheater »Meine Bühne« zeigt fünf Premieren und vergibt festen Boden
Für wirres Zeug halten die Toilettenfrau Mareike und ihr Kollege Kemal die Idee, ihre Bedürfnisanstalt in eine Unisex-Toilette zu verwandeln. Was in der Realität für die Gleichstellung von Mann und Frau gelten sollte und logischerweise an solchem Ort auf Ablehnung stieß, wird in der Inszenierung »Café Achteck - Eine Kiezkomödie« von Heranwachsenden im Kinder- und Jugendtheater »Meine Bühne - Dein Theater« in Prenzlauer Berg hochgenommen. Den Namen Murkelbühne hat das Haus abgelegt. War auch Zeit. Geschichte hat der Titel des Stücks in Berlin, denn »Café Achteck« wurden die grünen gusseisernen Pissoirs für Männer vom Volksmund benannt. Heute gibt es noch 30 dieser Stehplatzkonzentrationspunkte in der Stadt.
Auf der Bühne wird das Prozedere mit Sprachwitz und Komik durchgespielt, das heute jegliche Einweihung bis hin zu Politikergeschwafel über den »Stoffwechsel als kleinsten gemeinsamen Nenner« ins Absurde führt. Die Jugendlichen zeigen dabei freudig, was sie gelernt haben.
Mit dem Stück von Matthias Kubusch eröffnete der Projektkurs »Theater im Ensemble« für Menschen ab zwölf die achten Theaterwochen der Bühne und stieß damit bereits auf beachtliches Publikumsinteresse. Fünf weitere Premieren werden bis Juni folgen. Alle Stücke, die in der inzwischen schon 23. Spielzeit unter Theaterleitung von Ramona Kubusch und Matthias Kubusch gemeinsam mit den Jugendlichen entstanden, gehen auf den Arbeitstitel »Schöne Menschen - Heile Welt!« zurück, mit dem sich die jungen Schauspielbegeisterten auseinandersetzen.
Es folgen demnächst in diesem Theater »Dantons Tod« - auf der Suche danach, wer das Volk ist - vom Kurs 16+, »Ohne Konflikt und Trauer«, wo sich der Kurs 8+ auf eine philosophische Reise begibt, das Stück des Kurses 10+ »Fremd«, in dem es um die Geschichte einer Flucht aus Deutschland geht. In einer Bar auftauchende Figuren aus unterschiedlichen Zeiten werden in der Collage des Kurses 14+ »Heile Welt Fragmente« die Theaterwochen beschließen. Und schon ist der Arbeitstitel »Alles auf Zeit« der neuen Spielzeit ab dem Herbst angedacht.
Durchaus hintersinnig, denn im kommenden Sommer will das Theater Prenzlauer Berg verlassen, um in Friedrichshain mit einer dort inhaltlich angesiedelten Kiezoperette neu zu beginnen. Ziel ist die unter Denkmalschutz stehende ehemalige Friedhofskapelle in der Boxhagener Straße 99, die sich in den vergangenen Jahren bereits bei zwei Produktionen als guter Spielort erwies und über die bisherige Arbeit hinaus das Zusammenwirken mit Künstlern anderer Genres ermöglichen soll. Die Ankunft sprach sich dort schon herum. Eltern warten darauf, ihre Kinder für Kurse anmelden zu können.
Für die kostenaufwendige Sanierung der Kapelle beantragte die Evangelische Kirche als künftiger Kulturortbetreiber Lottomittel. 200 000 Euro werden gebraucht. Die Hälfte davon muss »Meine Bühne« aufbringen. Es gehe dabei um den Ausbau des Untergeschosses, das für die Bedingungen als Theater- und Performance-Haus mit allem, was dazugehört, hergerichtet werden soll, erklärt Matthias Kubusch. Am jetzigen »Meine-Bühne«-Standort in der Greifswalder Straße ist das gut nachvollziehbar ausgestellt.
Theaterpaten haben bis jetzt ein Zehntel des Geldes zusammengebracht. Sie führen gute Gründe für ihre Unterstützung auf. Christoph Schneider von der Band Rammstein ist beeindruckt von der Liebe zum Detail und dem Enthusiasmus, mit dem die jungen Akteure in den Theaterkursen agieren. Schauspielerin Maria Thomas verweist auf eigene gute Erfahrungen in der Murkelbühne ohne jegliches »Selbstfindungstrip-Gehabe«.
Viele Theaterpaten werden gebraucht für die Aktion mit gutem Grund für festen Boden. Denn Paten erwerben Theaterquadratmeter. Einer kostet 150 Euro. Ist doch eine tolle Idee für künstlerisch genutzte heimatliche Scholle. Wer will, bekommt ein Stück.
Meine Bühne, Greifswalder Str. 88, Prenzlauer Berg, Infos und Karten: Tel.: (030) 448 33 54, www. spiel-doch-selber.de
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