SPD-Chef Gabriel räumt Fehler bei der Agenda 2010 ein
Parteivorsitzende: Geringere Besteuerung von Kapitaleinkommen und sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen seien falsch / Auch zweifel an höheren Renteneintrittsalter
Berlin. Ungewohnte Töne des SPD-Vorsitzenden: Die Partei müsse sich nach den Worten von Parteichef Sigmar Gabriel wieder stärker als Gerechtigkeitspartei profilieren. «Wir müssen uns fragen, ob wir den Gerechtigkeitshunger unserer Zeit ausreichend begreifen», sagte Gabriel am Montag auf einer SPD-Veranstaltung in Berlin. Mit Blick auf die weiterhin massiv umstrittenen Agenda-Reformen des früheren SPD-Bundeskanzlers Gerhard Schröder räumte Gabriel dabei ein, hier habe die SPD Fehler gemacht, die korrigiert werden müssten.
«Die Sozialdemokratie war immer erfolgreich als Teil sozialer Bewegung. Wir sind heute ein bisschen zu viel Staat und zu wenig soziale Bewegung», sagte Gabriel weiter auf der Wertekonferenz der Partei, mit der die programmatische Diskussion im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 eingeleitet werden soll. Auf die Diskussionen vom Wochenende über einen möglichen Wechsel im Parteivorsitz ging der SPD-Chef in seiner Rede nicht ein.
«Dummes Zeug», die SPD und die Causa Markwort
Politisch sind die Aussichten schlecht. Viel schlechter, als die Aussicht auf einen Rücktritt Gabriels. Oder darauf, dass er bleibt. Ein Kommentar
Die SPD hat den Fehler gemacht, Erträge aus Kapitaleinkommen geringer zu besteuern als Erträge aus Arbeit«, sagte Gabriel mit Blick auf die von seiner Partei mit eingeführte Abgeltungsteuer. Wenn die SPD nach der Wahl 2017 wieder an der Regierung beteiligt sei, müsse dies korrigiert werden. Als weiteren Fehler nannte er die Zulassung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen. Zumindest für langjährig Versicherte bereits korrigiert worden sei die Einführung der Rente mit 67, die für viele de facto nur eine Rentenkürzung bedeutet hätte.
»Wir müssen den Kampf um die demokratische Mitte neu aufnehmen«, forderte Gabriel. Dafür sei »Gerechtigkeit der Schlüssel«. Bisher sei die Idee gleichberechtigter Teilhabechancen für alle in Deutschland nicht hinreichend umgesetzt. Dabei würden Probleme bei Mieten und generell Integrationsprobleme der Gesellschaft vor dem Hintergrund des Zuzugs zahlreicher Flüchtlinge besonders deutlich, auch wenn dieser dafür nicht die Ursache sei. Die SPD müsse ein Gegenmodell entwickeln sowohl zu konservativ-liberalen wie auch zu national-chauvinistischen Bewegungen. AFP/nd
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