Feuerwalze im Ölzentrum
Fort McMurray war schon wirtschaftlich am Boden
Jep Hepditch und sein Bruder Matt sind aus Neufundland nach Fort McMurray gezogen. Sie folgten wie so viele andere aus einer wirtschaftlich schwachen Provinz dem Angebot von guten Arbeitsplätzen in der boomenden Stadt inmitten der Ölsandfelder der kanadischen Provinz Alberta.
Ölsand gibt es immer noch. Aber Fort McMurray ist zur Geisterstadt geworden. Mehr als ein Fünftel aller Häuser sind durch die Feuerwalze der vergangenen Tage zerstört worden. Etwa 100 000 Personen wurden in Sicherheit gebracht. Die Stadt ist menschenleer, sieht man von Feuerwehren und anderem Hilfspersonal ab. Der Großbrand bedeckte am Montag eine Fläche von 2500 Quadratkilometern, auch wenn es dank kühleren Wetters nach leichter Entspannung aussah.
Von einem »schrecklichen Unglück« spricht Hepditch. »Da kann man nicht viel tun.« Der 25-Jährige und sein Bruder Matt hatten gute Stellen, bevor der Feuersturm kam. Dabei hatte die Ölindustrie schon viele Mitarbeiter entlassen, als die Preise für Rohöl auf den tiefsten Stand in einem Jahrzehnt gefallen waren.
Das Feuer, das die Erdölförderung um Fort McMurray zum Erliegen gebracht hat, tobt beinahe im Zentrum der Ölsandfelder um die Stadt. Sie gelten als die drittgrößten Lagerstätten von Erdöl nach denen in Saudi-Arabien und Venezuela. Kanadas Ölbranche ist indes in den letzten beiden Jahren um 50 Milliarden kanadische Dollar (34 Milliarden Euro) geschrumpft. Die Zahl der Arbeitsplätze ist in Alberta gegenüber dem Höchststand von 2014 um 43 000 gesunken, wie die Bank of Montreal mitteilt. Die Entlassungen haben sich auch auf andere Wirtschaftszweige ausgewirkt. Allein im April gingen hier 21 000 Arbeitsplätze verloren, wie Statistics Canada ausweist. Eine weitere Folge ist der Wertverlust im Immobilienbereich. Die Hauspreise gingen in einem Jahr um fast 20 Prozent zurück, ermittelt der kanadische Immobilienverband.
Der wirtschaftliche Rückgang in der Provinz hatte auch politische Folgen. Bei den Wahlen im vergangenen Jahr bekam die Linke Rachel Notley mit ihrer New Democratic Party genügend Stimmen, um die Regierung zu bilden.
Die Bank of Montreal schätzt den Schaden durch das Flammeninferno auf 11,6 Milliarden kanadische Dollar. Bewohner haben Zweifel, ob Fort McMurray wieder aufgebaut werden kann.
Cherie Wash ist aus Australien in die Stadt gezogen, weil ihr Mann dort gute Arbeit bei den Ölförderern fand. Er wurde zwar entlassen, bekam aber einen Job in einem Bergwerk. Sie war als Sozialarbeiterin tätig und machte später ein Gesundheitsstudio auf. Die 48-Jährige hat wenig Hoffnung: »Das wird eine Geisterstadt«, meint sie.
Brian Jean, Abgeordnete im Provinzparlament von Alberta für die konservative Wildrose Partei, sieht das anders: »Das wird schöner, als es war«, sagt er über seine Heimatstadt. Das müsste auch für sein Haus zutreffen. Denn das wurde vom Feuer zerstört.
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