Türkische Grenzer schießen offenbar auf Geflüchtete
Human Rights Watch veröffentlicht Bericht und erhebt schwere Anschuldigungen gegen die Türkei / Mindestens fünf Menschen in vergangenen zwei Monaten von Soldaten getötet
An der Grenze zu Syrien sollen türkische Soldaten auf Geflüchtete, darunter auch viele Kinder, geschossen haben. Das berichtet die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht. Grenzsoldaten gingen darüber hinaus mit erschreckender Brutalität auf die vor Krieg und Terror geflüchteten Menschen los und misshandelten diese. Allein zwischen März und April dieses Jahres seien syrische Asylsuchende von Soldaten so schwer misshandelt worden, dass fünf Menschen starben und 14 weitere ernsthaft verletzt wurden, heißt es in dem Bericht.
Das Land propagiere eine »open-door policy« (Politik der offenen Tür) und baue gleichzeitig einen neuen Grenzzaun, kritisiert HRW. »Die türkischen Behörden müssen aufhören syrische Asylsuchende zur Grenze zurückzudrängen« und exzessive Gewalt gegen Flüchtlinge stoppen, sowie Vorfälle untersuchen, in denen Soldaten die Menschen misshandelten.
»Während ranghohe türkische Beamte behaupten, syrische Flüchtlinge mit offenen Grenzen und offenen Armen willkommen zu heißen, werden Fliehende von ihren Grenzsoldaten erschossen und geschlagen«, sagt Gerry Simpson leitender Wissenschaftler bei HRW. Er kritisierte auch die EU, deren Flüchtlingspolitik dazu führe, dass die Türkei Migranten abweise.
Der Bericht fußt auf Interviews mehrerer Opfer und Zeugen, sowie syrischen Einheimischen. So berichtet ein Mann aus der umkämpften syrischen Stadt Aleppo mit seiner Familie rund 500 Meter vor der türkischen Grenze beschossen worden zu sein. Seine Schwester und sein Cousin überlebten den Angriff nicht.
Die Grenze zwischen Syrien und der Türkei ist seit August 2015 geschlossen. HRW berichtete in den vergangenen Monaten immer wieder von Menschenrechtsverletzungen gegen die teils traumatisierten Menschen. So setzten nach HRW-Berichten türkische Soldaten mehrere tausend Geflüchtete fest, nach dem diese aus ihrem Camp nahe der Grenze geflohen waren, welches von Artilleriefeuer am 13. und 15. April zerstört worden war.
Auch Amnesty International hatte der Türkei in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen, Flüchtlinge zurück nach Syrien zu schicken. Die Regierung in Ankara bestreitet das. nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.