Grüß dich, altes Haus

Ein Band über das Schriftstellerheim in Petzow

  • Lutz-Rüdiger Schöning
  • Lesedauer: 4 Min.

Da erzählt uns der Autor Manfred Richter, wie er einst auf der Suche nach einem neuen Farbband mitten in Werder den scheinbar ausgebüchsten Neufundländer Arco, den großvolumigen Hofhund des Schriftstellerheimes aus Petzow, antraf und ihn hilfsbereit mit seinem Auto zurückbrachte. Im Heim angekommen, begegnete ihm »Herbergsvater« Martin Zeisberg mit einem schwarzen Riesenhund, dem echten Arco. Es war laut Richter nicht leicht, den falschen Zwilling zur Rückfahrt zu bewegen.

Derart heiter sind nicht alle Geschichten in dem Buch, um das es hier geht. Keine kopflastige Literaturgeschichte, sondern eher Literaturgeschichten.

Und so kommt es, wie es kommen muss. Man liest sich fest.

Welche Versammlung bekannter und auch weniger bekannter Namen! Welche Fleißarbeit, die Beiträge der Zeitzeugen zu initiieren und für das Buch zu gewinnen. Welcher Rückblick auf die Literaten der DDR durch den kundigen Herausgeberkreis. Welche atmosphärisch dichte Beschreibung der Arbeitsbedingungen im Haus in den Ägiden der Familien Ihlenfeld und Zeisberg, von der Küche bis zum Keller! Namen tauchen auf und wecken Erinnerungen. Ihre Aufzählung würde den Rahmen einer kurzen Rezension sprengen. Also seien Beispiele genannt, ohne den Anspruch auf Chronologie oder gar Vollzähligkeit. Einige der Autoren hat der vielseitige Harald Kretzschmar liebevoll für die Buchgestaltung porträtiert. Klangvolle Namen!

Arnold Zweig, Georg Maurer, Ludwig Renn, die Wanders, Kirsch und Kunze, Brigitte Reimann und Siegfried Pitschmann, Elfriede Brüning, Hermann Kant, Günter de Bruyn und Volker Braun. Christa und Gerhard Wolf. Bobrowski. Peter Brock. Christa Kozik. Jens Gerlach, John Stave, Karl Mickel. Steineckert und Kahlau. Marianne Schmidt, Gustav Just. Auch westdeutsche und ausländische Autoren. Leonhard Frank. Günter Grass. Dinah Nelken, Sidney Gordon. Alle da gewesen! Arbeitend, redend, wandernd, rudernd; sie haben gegessen und getrunken wohl auch. Sie haben in Gedichten und Geschichten aufgeschrieben, was ihnen das Haus am Schwielowsee bedeutete.

Da waren aber nicht nur die bekannten Literaten zu Gast. Es gab, heute nennt man das Workshops, aber es meint das gleiche, Arbeitsaufenthalte auch für die Eleven der Schreibzunft. Die trafen zum Beispiel auf Wissenschaftler, auf weitgereiste Kollegen, auf eine sehr attraktive Lyrikerin, auf den Herrn des Feuilletons Heinz Knobloch, auf Lektoren wie den legendären Ralf Schröder oder auf Förderer des Nachwuchses wie Franz Fabian. Erholten sich unter den drei Pappeln am Schwielowsee, schlossen Freundschaft mit dem schon erwähnten nachtschwarzen biertrinkenden Haushund und lasen einander abends am Kamin vor, was sie in schlicht möblierten Arbeitszimmern, wo das Umbauen einer Couch zum Doppelbett handwerkliches Geschick erforderte, selbst verfasst hatten. Was die Ver- und Umsorgung betraf, gab es die abwechslungsreiche Küche von Hertha Ihlenfeld, später dann Emmy Zeisberg, den durch das ganze Haus ziehenden Duft von frisch gebackenem Kuchen am Nachmittag und je nach Wunsch und eigenem Geldbeutel einen abendlichen Schluck aus dem Keller, den nach Otto Ihlenfeld Martin Zeisberg verwaltete. Das hört sich doch wohl eher nach Schlaraffenland als nach Elfenbeinturm an, um mal ein wahrscheinlich ironisch gebrauchtes Bonmot von Brigitte Reimann zu zitieren.

Es gehört zu den Verdiensten des Buches, dass der Neugierige sich nicht mehr in verschiedenen Editionen zusammensuchen muss, wie es in Petzow zuging. Und warum die Schreibenden aller Erfolgsstufen sich so wohl fühlten im Haus am Schwielowsee. Beim Arbeiten wie bei der Erholung.

Es sind die Geschichten zu den Geschichten, der Blick hinter eine geheimnisumwitterte Kulisse, die sowohl heiteren als auch kritischen Anmerkungen der Gäste zur Politik und Kulturpolitik, die immer interessierenden zwischenmenschlichen Beziehungen wie auch die durchaus erotischen Komponenten des Hauses, die das Buch lesenswert machen. Und nebenbei wird auch aufgeklärt und dementiert. Zum Beispiel das hartnäckige Gerücht, dass Marika Rökk das Haus geschenkt bekam und dass Zelter, der Chef der Berliner Singakademie und Brieffreund Goethes, in Petzow geboren wurde. Erklärt wird auch, dass die Schinkelkirche im Ort eigentlich eine Stülerkirche ist.

Petzow – Villa der Worte. Das Schriftstellerheim in Erinnerungen und Gedichten. Hg. v. Margrid Bircken, Christel Hartinger, Harald Kretzschmar, Burkhard Raue, Marianne Schmidt. Verlag für Berlin-Brandenburg. 303 S., geb., 19,99 €.

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