Unabhängig oder nicht?
Bundesregierung findet private Patientenberatung sehr gut, doch Fragen sind offen
Vier Monate, nachdem die Unabhängige Patientenberatung (UPD) in private Trägerschaft übergegangen ist, zieht die Bundesregierung eine positive Bilanz. Doch auch die Kritiker sind nicht verstummt.
Von Silvia Ottow
Vor dem Bundespresseamt am Berliner Reichstagsufer steht eines der drei Infomobile, die seit kurzem durch die Republik touren, damit Menschen fernab von den Beratungsstellen der Unabhängigen Patientenberatung ihre Probleme mit dem Gesundheitssystem loswerden können. Drinnen spricht der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), in die Mikrofone der Journalisten, dass er sehr zufrieden mit der »neuen« UPD sei. Man habe vier Monate nach dem Start ein deutlich verbessertes Beratungsangebot. Die Berater seien länger am Telefon erreichbar, die Zahl der Beratungsstellen habe sich von 21 auf 30 erhöht, drei Beratungsmobile seien unterwegs. Während Ratsuchende bisher im Schnitt 2,8 Mal anrufen mussten, um mit einem Berater zu sprechen, seien es nun nur noch 1,5 Mal.
Die Unabhängige Patientenberatung wird seit Januar 2016 vom Gesundheitsdienstleister Sanvartis in Duisburg betrieben. Das Unternehmen, das Callcenterberatung im Auftrag großer Krankenkassen wie der AOK oder der Barmer GEK und von Pharmaunternehmen wie Bayer oder Merck betreibt, hatte eine europaweite Ausschreibung gewonnen. Das rief viele Kritiker der Branche auf den Plan, die das wichtigste an dieser Patientenberatung, die Unabhängigkeit, in Gefahr sahen. Sollte hier eine krankenkassen- und pharmafreundliche Patientenberuhigungsmaschinerie in Gang gesetzt werden?, fragten sich linke und grüne Politiker, Verbraucherschützer sowie Patientenvertreter. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen (BAGP) hatte dem Patientenbeauftragen Karl-Josef Laumann damals das Vertrauen entzogen und ihm eine Missachtung des gesetzlichen Auftrags vorgeworfen.
Laumann indes wies alle Befürchtungen zurück, die Unabhängigkeit könnte in der jetzigen Konstellation nicht mehr gewährleistet sein. Sein Argument: Ohne einen Unabhängigkeitsnachweis hätte Sanvartis den Zuschlag gar nicht bekommen, Punkt. Thorben Krumwiede, Geschäftsführer der neu gegründeten UPD gGmbH, erklärte zum Thema, Mitarbeiter in der Patientenberatung seien niemals gleichzeitig im Auftrag von Krankenkassen oder anderen Sanvartiskunden tätig. Dies werde sogar schriftlich niedergelegt. Seit Jahresbeginn haben Krumwiede zufolge mehr als 24 500 Menschen Rat gesucht. Die meisten von ihnen (73 Prozent) hätten rechtliche Fragen, etwa zum Krankenkassenwechsel, zur Pflege oder zum Auslauf des Krankengelds nach der höchsten Bezugsdauer gehabt. Unter den medizinischen Anfragen (23 Prozent) gebe es Informationsbedarf zu Zahnbehandlungen, Rückenerkrankungen oder Prostataproblemen. Die Qualität der Beratung wurde bisher nicht untersucht; Laumann zufolge wird momentan darüber diskutiert, wie das in Zukunft erfolgen soll.
Vor dem Hintergrund zahlreicher Fälle, in denen Anrufer bei der UPD aufgefordert wurden, Namen und Telefonnummer für Rückrufe zu hinterlassen, fragte die Linksfraktion im Bundestag an, wie die Regierung eine anonyme Beratung gewährleisten wolle. Dieser Tage kam die Antwort: Das sei gewährleistet, lautet schlicht die Antwort aus dem Bundesgesundheitsministerium.
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