Im roten Wagen durch Kerala

Bei Wahlen in zwei indischen Bundesstaaten versucht die Linksfront, an Boden zu gewinnen

  • Henri Rudolph, Mumbai
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei Wahlen in den indischen Bundesstaaten Kerala und Westbengalen entscheidet sich, ob die Linken wieder an Boden gewinnen oder fünftes Rad am Wagen in der politischen Landschaft bleiben.

Wer dieser Tage durch den südlichen Bundesstaat Kerala reist, sitzt möglicherweise in einem Eisenbahnwaggon, der mit roter Farbe bemalt ist und für die Linksfront wirbt. An jeder Ecke, selbst in der kleinsten Gemeinde, wird man daran erinnert, dass hier am 16. Mai eine neue Volksvertretung gewählt wird. Riesige Plakate zeigen die Gesichter der Kandidaten der seit 2011 regierenden Vereinten Demokratischen Front (UDF), der oppositionellen Linken Demokratischen Front (LDF) und der Indischen Volkspartei (BJP) – deren Spitzenkandidat vom Abbild des BJP-Premiers Narendra Modi dominiert wird. Die BJP versucht, in der einstigen linken Hochburg Fuß zu fassen und wenigstens eines der insgesamt 140 Mandate zu erringen.

Modi tourt fleißig durch Kerala, um Schützenhilfe zu leisten. Ob das gelingt ist fraglich. Denn traditionell wählen die Keraler abwechselnd die LDF, in der die KPI(Marxistisch) den Ton angibt, oder die UDF, in der die Kongresspartei das Zugpferd stellt. Eigentlich wäre die LDF wieder an der Reihe. Deren Karten sind auch nicht schlecht. Doch in den vergangenen fünf Jahren hat die UDF-Regierung unter Chefminister Oommen Chandy mit Entwicklungsprojekten gepunktet. Allerdings werfen ihr Kritiker ausufernde Korruption, eine ungewöhnlich hohe Selbstmordrate unter Farmern, ein mieses Management bei der Feuerwerkskatastrophe im Mai und ein schlecht umgesetztes Alkoholverbot vor. In zehn Jahren soll das Bundesland »trocken« sein.

Die Linken monieren, dass viele Projekte unvollendet sind; so die Metro in Kochi, der Kannur-Airport oder der Tiefseehafen in Vizhinjam. In ihrem Manifest versprechen sie, alles besser zu machen, um ein »korruptionsfreies, hungerfreies und umweltfreundliches Kerala« zu schaffen. Dazu zählen Sozialmaßnahmen für die Schwächsten, Reformen im Bankwesen, die Bereitstellung von 2,5 Millionen Jobs im Verlauf von fünf Jahren, Förderung der Agrarwirtschaft, der Industrie und des Tourismus.

Das Alkoholproblem will die LDF mit einer Kampagne wie bei der Alphabetisierung in den 50er Jahren angehen. Dies brachte Kerala an die Spitze in der Volksbildung. Die UDF hat viele Programmpunkte, die zum Verwechseln ähnlich klingen. Ihr Slogan lautet »Obdach für alle. Nahrung für alle. Gesundheit für alle.« Erwartet wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Die Chancen der LDF scheinen bedeutend besser zu sein als die der Linksfront in Westbengalen, die 2011 nach über 30 Jahren im Amt von der Regionalpartei Trinamool Congress (TMC) unter deren Chefin Mamata Banerjee abgelöst wurde. Trotz etlicher Schwachpunkte – auch hier Bestechungsskandale, angeblich mafiöse Strukturen im Bauwesen, die im April zum spektakulären Einsturz einer Autobahnbrücke in Kolkata führten, brutale Gewalt gegen Opponenten – liegt in Meinungsumfragen die TMC deutlich vorn. Von den 295 Sitzen gibt man ihr rund 160, der Linksfront gut 100, der Kongresspartei 21 und der BJP etwa fünf Mandate.

Linksfront und Kongresspartei hofften, das Blatt mit einer Partnerschaft wenden zu können. Von einer Allianz wollten sie nicht sprechen. Die Wahlen fanden in sechs Durchgängen vom 4. April bis zum 5. Mai statt. Die Stimmenauszählung erfolgt am 19. Mai. Der Ausgang beider Wahlen hat nicht nur für die Linken besondere Bedeutung, sondern auch nationales Gewicht. 2017 wird ein neuer Staatspräsident gekürt. Ihn wählen alle Abgeordneten beider Kammern des Parlaments und alle Volksvertreter aus den Bundesstaaten.

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