Ohne Kompromiss beim EEG

Bund und Länder vertagen Entscheidung zur Reform der Energiewende

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundesregierung will den Ausbau der Windenergie verlangsamen. In Norddeutschland kommt dieser Plan nicht gut an.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fand am Donnerstagabend doch mal wieder schöne Worte. »Wir haben es, glaube ich, sehr gut geschafft, die Stellgrößen zu benennen und auch über sie zu diskutieren, an denen wir arbeiten müssen, um alle Komponenten richtig zu erfüllen«, sagte sie nach einem Treffen mit den Regierungschefs der Länder zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Im Klartext heißt dies: Man konnte sich auf nichts einigen, jegliche Entscheidungen wurden auf den 31. Mai vertagt.

Die Bundesregierung hat einiges vor mit dem EEG 2016, wie sie die diesjährige Reform nennt. Es behandle die »Erneuerbaren erstmals als etablierte, erwachsene Technologien und schafft die Basis dafür, die Kosten zu stabilisieren und so die Akzeptanz für die Energiewende zu stärken«, erklärte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel im April bei der Vorstellung eines Referentenentwurfs, der Kern der Reform sein soll.

Die wichtigste Änderung ist, dass die Förderung von Windenergie an Land von festen Vergütungssätzen auf ein Ausschreibungsmodell umgestellt werden soll, bei der die Anlagenbauer, die die niedrigsten Vergütungssätze verlangen, den Zuschlag bekommen. Bei der Solarenergie ist das schon Praxis. Zudem hat die Bundesregierung am Mittwoch angekündigt, für die Übergangszeit die festen Vergütungssätze im ersten Quartal 2017 um 7,5 Prozent senken zu wollen.

Bei der Opposition und in der Erneuerbaren-Branche kommen solche Pläne nicht gut an: »Mit der geplanten EEG-Novelle macht die Bundesregierung eine Vollbremsung beim Umstieg auf Ökostrom«, erklärte die energiepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Julia Verlinden, gegenüber dem »neuen deutschland«. Erstmals wolle die Bundesregierung eine fixe Obergrenze für Wind-, Solar- und Bioenergie einführen.

So soll laut Schwarz-Rot sichergestellt werden, dass die Energiewende nicht zu langsam, aber auch nicht zu schnell geht. Einen Anteil von 40 bis 45 Prozent der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch bis 2025 wollen Merkel und Gabriel mit ihrer Reform erreichen. Im vergangenen Jahr betrug dieser Anteil 32,6 Prozent, weshalb die Energiewende für den Chef der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, derzeit zu schnell geht. Die Stromnetze könnten mit diesem Wachstum vielfach nicht Schritt halten, sagte er bei der Vorstellung seines Jahresberichts in Bonn.

Für die energiepolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, Eva Bulling-Schröter, zählt dieses Argument allerdings nicht: »Die Netze sind nach wie vor durch extreme Überkapazitäten von Kohlestrom verstopft«, sagte sie. So dürfe der Windkraftausbau im Norden nicht in Abhängigkeit zum Netzausbau reguliert werden. »Dies wäre ein zusätzlicher Deckel für die preiswerteste Erzeugungsart, dessen Dramatik noch gar nicht abzuschätzen ist«, so Bulling-Schröter. Würde man Kohlekapazitäten runterschrauben, »wäre der Weg frei für mehr erneuerbare Energien, die wir angesichts des Klimaabkommens von Paris auch dringend benötigen«.

Und auch unter den Landeschefs regt sich Widerstand gegen die Kappung des Ausbaus der Windkraft. »Ich hätte mir eine Einigung gewünscht. Aber es sind schwierige Fragen zu klären«, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) nach dem Treffen mit Merkel und betonte, dass die norddeutschen Länder weiterhin für einen kontinuierlichen Ausbau der Windkraftnutzung werben.

Zusammen mit der Gewerkschaft IG Metall und Vertretern der Windkraftindustrie hatten die Regierungschefs von Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein im Januar den »Wismarer Appell« unterzeichnet. Darin heißt es, dass ein Anteil der Erneuerbaren von 45 Prozent »keine Obergrenze« sein dürfe. In den norddeutschen Ländern seien »in den letzten Jahren Tausende neuer Arbeitsplätze in der Windkraftindustrie und bei ihren Zulieferern entstanden. Wir haben deshalb ein besonderes Interesse daran, dass die Energiewende weiter vorankommt«, sagte Sellering damals. Dafür trete man gemeinsam ein.

So blieb Merkel am Donnerstag letztlich nur, den Journalisten für ihre Aufmerksamkeit zu danken und anzukündigen, dass man sich am 31. Mai wieder sehe - »oder morgens am 1. Juni« - falls die Verhandlungen doch noch länger dauern sollten.

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