Lieber an die Kasse als an die Uni

Forderung nach neuem Tarifvertrag und höheren Löhnen für studentische Beschäftigte

  • Ellen Wesemüller
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Tarifvertrag ist 30 Jahre alt, die Bezahlung schlecht. Weil die Hochschulen Arbeitskräfte verlieren, laden sie zu Sondierungsgesprächen - doch nur wenige Studenten sind gewerkschaftlich organisiert.

Stefanie Brauer ist Masterstudentin der Biomedizinische Technik an der Technischen Universität (TU). Als Tutorin arbeitet die 25-Jährige neuneinhalb Stunden die Woche, »offiziell«, sagt sie. »Inoffiziell sind es manchmal fünfzehn.« Sie verdient rund 428 Euro im Monat, »meine Eltern unterstützen mich, sonst wäre es knapp.«

Brauer hat sich mit rund 25 anderen Studenten zusammengeschlossen, um für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Gemeinsam mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di haben sie die Kampagne »TVStud3« ins Leben gerufen. Sie wollen einen dritten Tarifvertrag für Studenten, denn der zweite, der aktuelle, ist bereits 30 Jahre alt. 2004 wurde der Tarifvertrag zudem von dem der übrigen Uni-Beschäftigten abgekoppelt, seitdem gibt es kein Weihnachtsgeld mehr, keine automatische Lohnerhöhung, weniger Urlaub.

In Berlin arbeiten über 7000 studentische Beschäftigte: Sie leiten wie Brauer Tutorien, unterstützen Professoren oder arbeiten in Bibliotheken und Archiven. Ihr Tarifvertrag ist der einzige seiner Art, die anderen Bundesländer haben gar keinen. Die rund 1000 studentischen Beschäftigten der Charité haben einen eigenen Vertrag und sind noch einmal schlechter gestellt.

Seit 2001 ist der Lohn auf demselben Niveau von 10,98 Euro die Stunde - das entspricht einem Kaufkraftverlust von 20 Prozent, sagen die Gewerkschaften. Inzwischen haben auch die Hochschulen ein Problem: In den technischen Studiengängen laufen ihnen die Arbeitskräfte davon.

»Besonders im Studiengang Informatik kriegen die keine Leute mehr«, sagt Mathias Neis, Gewerkschaftssekretär für Studierende bei ver.di, Bei Siemens bekämen die Studierenden 16 Euro und auch gegen 13 Euro, die Kassierer bei Kaufland verdienten oder 11 Euro, die die BVG studentischen Kontrolleuren zahle, könne die Universität nicht konkurrieren. »Für Studenten, die nicht in die Forschung wollen, ist es sinnvoller, woanders zu arbeiten«, sagt auch Brauer.

Nach einer Aktionswoche der Kampagne Ende April haben die Hochschulen nun zu Sondierungsgesprächen geladen. Für die Facebook-Seite lässt sich die neu gewählte Präsidentin der Humboldt Universität (HU), Sabine Kunst, mit einem Plakat der Kampagne fotografieren. Sie »freue sich auf einen guten Abschluss für beide Seiten«, zitiert die Kampagne die Präsidentin.

Dass die Universitäten hier gar nicht unbedingt die Gegner sind, hat sich abgezeichnet: Schon im Januar hatte sich der Akademische Senat der HU einstimmig für einen besseren Tarifvertrag für studentische Beschäftigte ausgesprochen. Und im vergangenen Jahr hatte das Kuratorium der TU die Universitätsleitung aufgefordert, die Verhandlungen mit den Gewerkschaften wieder aufzunehmen.

Es gibt also Kooperationsbereitschaft - aber auch ein Problem: Die Studierenden sind noch nicht einmal zu sieben Prozent gewerkschaftlich organisiert. Die Gewerkschaften wollen jedoch nur verhandeln, wenn sie bis Ende Mai 1000 neue Mitglieder aus den Reihen der Studierenden gewinnen können. Denn schon einmal mussten sie Tarifverhandlungen abbrechen, weil sie eine zu schwache Position hatten: 2011 liefen die Gespräche darauf hinaus, den Studenten nur noch acht Euro die Stunde zu zahlen. Die Kampagne hilft deshalb auch der Gewerkschaft. Neis sagt: »Es ein Tarifprojekt mit Organisierungsziel.«

Um ihre Kommilitonen zu überzeugen, klappert Brauer nun alle Arbeitsräume der TU ab. Oft trifft sie da auf Desinteresse: »Die Leute denken: In einem halben Jahr bin ich wieder weg, das betrifft mich nicht.« Auch Neis sagt: »Der Vertrag dauert sechs Monate, der Kampf für einen besseren dauert länger.«

Dass sie in knapp zwei Wochen 1000 Leute dazu bewegen, in die Gewerkschaft einzutreten, halten Brauer und Neis für möglich. Ansonsten wollen sie im Wintersemester verhandeln, wenn die Hochschulverträge neu ausgehandelt werden.

Für heute ruft die Initiative zu einer Fahrraddemo auf. Start ist um 14 Uhr am Bebelplatz, gegenüber dem Hauptgebäude der Humboldt Uni.

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