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Monsanto-Übernahme: Kritiker schlagen Alarm

Coordination gegen Bayer-Gefahren: »Welternährung gerät in ernste Gefahr« / BUND: Bei erfolgreicher Übernahme wird Chemiekonzern seine Interessen noch aggressiver vertreten

  • Lesedauer: 5 Min.

Berlin. Die mögliche Übernahme des umstrittenen US-Saatgutkonzerns Monsanto durch den deutschen Chemiekonzern Bayer hat große Sorgen ausgelöst. Die Coordination gegen Bayer-Gefahren erklärte mit Blick auf die Pläne, »durch die Übernahme droht ein weltweites Lebensmittel-Monopol. Die Welternährung gerät in ernste Gefahr«. Man schlage Alarm, so Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der Coordination, schon Henry Kissinger habe erklärt, wer das Saatgut kontrolliere, beherrsche die Welt.

Schon jetzt befinde sich der globale Agrar-Markt in den Händen einiger weniger Unternehmen, kritisiert die Coordination. Die oligopolartigen Strukturen brächten »einen riesigen Innovationsstau mit sich«. Weitverbreitete »gesundheitsschädliche Pestizide« wie Bayers Glufosinat oder Monsantos Glyphosat stammten bereits aus den 1970er Jahren, so Köhler-Schnura. Die Übernahme von Monsanto durch Bayer könne die »Abhängigkeit der Agrarwirtschaft von den Konzernen« erhöhen.

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland BUND sieht die geplante Übernahme ebenfalls kritisch. Heike Moldenhauer von dem Verband sagte der »Neuen Osnabrücker Zeitung«, wenn Bayer Monsanto wirklich aufkaufe, »heißt das, dass das Unternehmen verstärkt auf Gentechnik setzen will«. Bayer sei wirtschaftlich und politisch sehr einflussreich. Sie sei besorgt darüber, dass der Chemieriese nach einer Übernahme seine Interessen in Deutschland und der EU noch aggressiver vertreten werde.

Den Zeitpunkt für die Offerte hält Moldenhauer für klug gewählt. Er fällt mitten in die politische Diskussion um eine Verlängerung der Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat in der EU. Der US-Saatgutkonzern generiert einen Großteil seines Umsatzes durch das weit verbreitete Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat und das Geschäft mit genmanipulierten Pflanzen. Bayer sei angesichts der Konzentrationsprozesse in der Branche unter Zugzwang. »Wenn Bayer noch mitspielen will im Konzert der ganz Großen, müssen sie sich schnell umgucken. Deswegen hat Monsanto jetzt das Übernahmeangebot am Hals«. Der US-Saatgutkonzern sei aktuell billig zu haben. »Monsanto ist angeschlagen, auch weil Glyphosat gerade sehr angeschlagen ist. Die haben ihre besten Tage hinter sich«, meint die Pestizid-Expertin.

Mit der milliardenschweren Übernahme will Bayer sein Agrargeschäft stärken. Vertreter von Bayer hätten sich kürzlich mit Mitgliedern der Monsanto-Geschäftsführung getroffen, um vertraulich über eine einvernehmliche Fusion zu sprechen, teilte der Dax-Konzern mit. Das US-Unternehmen steht wegen seiner gentechnisch veränderten Produkte in der Kritik. Zudem stellt Monsanto den weltweit meistgenutzten Unkrautvernichter »Roundup« mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat her. Glyphosat steht im Verdacht, Krebs zu erregen. In der Landwirtschaft und im Gartenbau wird das Herbizid vor der Aussaat zur Unkrautbekämpfung verwendet, in Deutschland kommt es auf etwa 40 Prozent der Felder zum Einsatz. Die europäische Zulassung für Glyphosat läuft Ende Juni aus, bei einem Treffen von Vertretern der 28 EU-Staaten in Brüssel am Donnerstag kam es nicht zur Abstimmung und damit auch nicht zu einer Mehrheit für oder gegen die Neuzulassung.

Umweltschützer und die Grünen kritisierten die geplante Fusion. »Gentechnik und Pestizide sind keine Zukunfts-, sondern Risikotechnologien«, sagte Grünen-Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur. »Damit würde Bayer das eigene Gerede über nachhaltige Unternehmenskultur Lügen strafen.« Agrarexperte Dirk Zimmermann von Greenpeace warnte, eine zu große Konzentration im Markt führe zu weniger Vielfalt und höheren Saatgutpreisen.

Mit Monsanto würde das Agrargeschäft bei Bayer eine viel größere Rolle spielen. Eine Übernahme würde das Kerngeschäft stärken, teilten die Leverkusener mit. Für ein Zusammengehen spricht, dass Monsanto in den USA stärker aufgestellt ist, Bayer in Europa und Asien. Das könnte den Unternehmen auch bessere Chancen bei den Wettbewerbshütern bescheren. Monsanto hatte in St. Louis mitgeteilt, das Unternehmen habe eine unaufgeforderte, nicht-bindende Offerte von Bayer erhalten. Der Verwaltungsrat des US-Konzerns will die Offerte jetzt prüfen. Bis diese Überprüfung abgeschlossen ist, werde es keine weitere Mitteilung des Unternehmens geben.

Monsanto war an der Börse zuletzt etwa 42 Milliarden Dollar (gut 37 Mrd Euro) wert. Der Kurs schwankte in den vergangenen Tagen, nachdem es bereits vor einer Woche erste Berichte über ein Interesse von Bayer gegeben hatte. Der US-Konzern erlöst im Jahr gut 15 Milliarden Dollar (etwa 13 Mrd Euro) mit Saatgut und Pflanzenschutzmitteln. Bayer kam im vergangenen Jahr insgesamt auf einen Umsatz von 46,3 Milliarden Euro.

Die Aktien der Leverkusener gingen nach der Mitteilung auf Talfahrt und stürzten im Dax bis zum Nachmittag um mehr als acht Prozent ab. Marktteilnehmer rechneten mit einem zu hohen Kaufpreis, sagte ein Sprecher der Anlegerschutzvereinigung DSW. Hingegen legten Monsanto-Papiere vorbörslich zuletzt gut acht Prozent zu.

Das »Wall Street Journal«, das in der Nacht zuerst über die Gespräche berichtet hatte, schrieb unter Berufung auf Zahlen der Bank Morgan Stanley, gemeinsam würden die Unternehmen gut ein Viertel (28 Prozent) der weltweit verkauften Pflanzenschutzmittel absetzen. Sehr stark wären sie auch im US-Geschäft mit Getreide- und Soja-Samen. Monsanto geht gerade durch einige Turbulenzen. Der Konzern hatte jüngst die Gewinnprognose für dieses Jahr gekappt und baut Stellen ab.

Am Donnerstag teilte Bayer ebenfalls den geplanten Verkauf des Hobbygärtnergeschäfts des Geschäftsbereichs Environmental Science mit. Die Bereiche Bayer Garten und Bayer Advanced in Europa und Nordamerika sollen von dem französischen Unternehmen SBM übernommen werden. Von dem Gesamtumsatz der Sparte von 819 Millionen Euro waren 2015 rund 239 Millionen Euro auf das Endkundengeschäft entfallen. Zum Verkaufspreis machte ein Sprecher keine Angaben.

In der Chemiebranche brodelt seit langem die Gerüchteküche über die Zukunft der Unternehmen, die sich auf das Geschäft mit der Landwirtschaft spezialisiert haben. Dieses steht wegen niedrigerer Preise für Agrarrohstoffe, den Turbulenzen in den Schwellenländern und der Rezession in Brasilien seit einiger Zeit unter erheblichem Druck. Im vergangenen Jahr hatte Monsanto versucht, den Schweizer Konkurrenten Syngenta zu übernehmen, der nun an den chinesischen Konkurrenten ChemChina geht. Zudem wollen sich die Großkonzerne DuPont und Dow Chemical zusammenschließen und damit den deutschen Branchenprimus BASF vom Thron stoßen. Das Volumen dieses Deals wird auf rund 130 Milliarden Dollar geschätzt. Agenturen/nd

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