Lokale Verwurzelung und politische Verantwortung
Aus der Perspektive linker ostdeutscher Politik: ein Beitrag zur Debatte über die Strategie der Linkspartei von Susanna Karawanskij
1. Katja Kipping und Bernd Riexinger stellen fest, dass die Gesellschaft vor einem Scheideweg steht »zwischen rechter Hetze und neoliberaler Konkurrenz auf der einen Seite, Demokratie, Solidarität und sozialer Gerechtigkeit auf der anderen Seite.«
Diese Entwicklung ist in den neuen Bundesländern schon länger und besonders deutlich zu sehen. Hier ist zum einen DIE LINKE republikweit am stärksten; selbst nach den Verlusten bei den letzten Landtagswahlen ist der Wählerstimmenanteil in Sachsen-Anhalt mehr als fünfmal so hoch wie in Baden-Württemberg. Zum andern sind hier, außer in Berlin, rechte Parteien nunmehr flächendeckend und darüber hinaus auch bereits seit erheblicher Zeit in den Parlamenten vertreten. Im Osten zeigen sich die gesellschaftlichen Widersprüche besonders deutlich, hier finden sie eine besonders klare politische Form. Dass »Pegida« in Dresden und Umgebung entstanden ist, kann dafür als Beleg gelten.
2. Die sozialen Verwerfungen über 25 Jahre nach der Wende sind in Ostdeutschland immer noch groß. Teilweise wurden ganze Bundesländer über Jahrzehnte zu Experimentierfeldern neoliberaler Politik. Nahezu jeder soziale Widerspruch, nahezu jedes sozialpolitische Problem existiert in den neuen Bundesländern in ganz besonderer Schärfe. DIE LINKE als Partei, der vor allem im Bereich der »sozialen Gerechtigkeit« hohe Kompetenzwerte zugeschrieben werden, muss deshalb klar und deutlich erkennbar sein als entschiedenste Kämpferin gegen diesen sozialen Graben, der die Bundesrepublik durchzieht. Auch im zweiten und dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ist der Osten des Landes auf Grund der benannten tiefgehenden sozialen Probleme ein Hauptarbeitsfeld unserer Partei.
3. Auch die neuen Bundesländer sind von widersprüchlichen Entwicklungen gekennzeichnet. Insbesondere die Auseinanderentwicklung in nahezu allen relevanten Kennziffern zwischen einigen wenigen großen Städten und dem »ländlichen Raum« (der in Wirklichkeit auch zahlreiche mittlere und Kleinstädte enthält) ist dafür Beleg. Daher kann auch linke Politik für die neuen Bundesländer nicht mit einem universalen Patentrezept antreten, welches überall passt, sondern muss den konkreten regionalen und lokalen Problemlagen entsprechen. Um glaubwürdig Sprachrohr und Interessenvertretung insbesondere der Menschen im Osten sein zu können, ist daher die regionale und lokale Verwurzelung unserer Partei grundlegend.
4. Katja Kipping und Bernd Riexinger führen aus: »Unsere Partei ist in den ostdeutschen Bundesländern nicht nur in den Großstädten, sondern in Kleinstädten und im ländlichen Raum da anerkannt […] Eine konsequente soziale Interessenvertretung auf lokaler Ebene, eine solidarische Kommunalpolitik ist möglich - und notwendig. Sie ist die Grundlage für jede soziale Offensive, weil sie unmittelbar an den Ansprüchen der Bürgerinnen und Bürger an soziale und demokratische Verbesserungen anknüpfen kann und weil lokale Erfolge ‚Mut zu mehr‘ machen.«
Genau dieser Ansatz kann nicht nur als Prinzip auf lokaler oder kommunaler Ebene bestehen, sondern muss auch auf weiterführende politische Ebenen übertragen werden, um erkennbar und glaubwürdig Markenzeichen der LINKEN zu sein. Es nützt nichts, wenn wir auf kommunaler Ebene im besten realpolitischen Sinne die Anliegen der Menschen vertreten, dafür kämpfen und diese dann nicht auf Länderebene und im Bund konsequent weiterführen. Auch über die lokale Ebene hinweg müssen wir konkret für Verbesserungen kämpfen.
5. Wir sind in Ostdeutschland in der Bevölkerung verankert! Das bedeutet aber auch, Verantwortung zu haben, um Themen und Anliegen der Bevölkerung in die politischen Sphären zu tragen und dafür einzutreten – und dies eben nicht nur als Lippenbekenntnis zu äußern. Wir können keine Avantgarde-Partei sein, das würde bedeuten, dass wir die Bedürfnisse der Wählerinnen und Wähler ignorieren und uns selbst als Teil der politischen Elite begreifen. DIE LINKE gehört keinesfalls zum politischen Establishment, solange sie auch in der Ausübung politischer Verantwortung mit Ämtern und Mandaten von jenen Kreisen deutlich unterscheidbar bleibt.
Susanna Karawanskij, Jahrgang 1980, ist Bundestagsabgeordnete der Linkspartei für Nordsachsen
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.