Krankenversicherungen aufs Börsenparkett

Gesetzliche Kassen wollen hohe Aktienquote zur Sicherung ihrer Altersrückstellungen

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Niedrigzinsphase bringt die Versicherer in Probleme, weil sie für ihre sicheren Anlagen nur noch wenig Geld bekommen. Jetzt wollen auch die gesetzlichen Krankenkassen mit Aktien spekulieren.

Die Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sind zugleich Teil der Sozialversicherung als auch unternehmerisch tätig. Sie sind zudem seit längerem verpflichtet, ihren Beschäftigten eine betriebliche Altersversorgung anzubieten. Dafür haben sie Rücklagen in Milliardenhöhe gebildet. Die gewinnbringende Anlage dieser Summen wird indes immer schwieriger. Bisher investierten die Krankenkassen in sichere Rentenpapiere, die allerdings kaum noch Renditen erwirtschaften. Für Bankeinlagen mussten sie im vergangenen Jahr sogar schon 1,8 Millionen Euro Strafzinsen zahlen. Wohin also mit dem Geld? Die Frage stellt sich für die GKV genauso wie für andere institutionelle Anleger, nur dass bislang noch größere Einschränkungen gelten.

Nun fordern die Kassen, dass sie auch in Aktien investieren können. Darauf reagiert ein Gesetzentwurf der Bundesregierung, der Ende vergangener Woche bekannt wurde. Demnach wären derartige Anlagen möglich, aber nur in engen Grenzen: Nur ein Teil jener Reserven, die Kassen für die Altersversorgung ihrer Angestellten bilden, soll dafür freigegeben werden. Der Gesetzgeber schlägt zehn Prozent vor, die Kassen wollen zwischen 20 und 30 Prozent und weitere Freiheiten bei der Anlage, darunter auch die, in Aktien ausländischer Währungen investieren zu dürfen.

Die Kassen argumentieren für den höheren Satz, dass sie ansonsten die interne Altersvorsorge aus Betriebsmitteln bezuschussen oder weitere Rückstellungen aus Versichertenbeiträgen bilden müssen. Das wäre jedoch auch der Fall, wenn sie an der Börse Verluste einführen. Wie schnell das gehen kann, musste ein anderer großer gesundheitspolitischer Akteur erfahren: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die im Auftrag der GKV die ambulante medizinische Versorgung steuert, hatte 2006 Wertpapiere der isländischen Glitnir Banki für 1,1 Millionen Euro gekauft - auf Empfehlung der Kölner Sparkasse und ohne Genehmigung ihrer eigenen Gremien. Zwei Jahre später endete die Anlage als Totalverlust, wobei die Aktien schon vor der Finanzkrise als riskant eingestuft worden waren.

Gesetzliche Krankenversicherungen wie auch die KBV sind Körperschaften öffentlichen Rechts - laut Sozialgesetzbuch dürfen sie Geld nur so anlegen, dass ein angemessener Ertrag erzielt, ausreichende Liquidität gesichert und ein Verlust ausgeschlossen ist. Aber schon bisher konnten einzelne AOK-Verbände mit Rückendeckung der Aufsicht in ihren Bundesländern in Aktien investieren. Angesichts dessen forderte jetzt die Siemens Betriebskrankenkasse eine einheitliche Finanzaufsicht für alle Kassen, da ihr 2006 vom Bundessozialgericht eine Anlagestrategie untersagt worden war, bei der 30 Prozent der Mittel in einen Fonds mit Aktienanteil gehen sollten.

Die Bundesregierung will Verlustrisiken begrenzen, unter anderem dadurch, dass die zugelassenen Aktien nur in Euro ausgegeben sein dürfen, und deren Management »passiv und indexorientiert« erfolgen müsse. Wieweit sich diese Vorgaben durchsetzen lassen, wieweit hier nicht nur kontrolliert sondern auch sanktioniert werden soll, bleibt fraglich.

Das Bundesversicherungsamt gibt schon einen möglichen Zustrom von fünf Milliarden Euro auf den Aktienmarkt an, wenn nur zehn Prozent der Altersrückstellungen in diese Richtung angelegt werden dürften. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) verfügten Ende 2014 allein über 1,6 Milliarden Euro, die Ersatzkassen über 2,5 Milliarden Euro. Für Ende 2015 gibt die Techniker Krankenkasse knapp zwei Milliarden Euro Altersrückstellungen an.

Um den gesetzlichen Kassen eine derartige Geldanlage grundsätzlich zu erlauben, muss das Sozialgesetzbuch geändert werden. Der Bundesrat forderte, dafür ein neues Gesetz vorzulegen. Der Bundestag soll sich Anfang Juni damit befassen, wobei unter anderem die SPD Vorbehalte gegen die Anlage von Sozialversicherungsgeldern am Kapitalmarkt hat.

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