Harter Kampf unter dem Regenbogen
Die Bewegung der Homo-,Trans- und Bisexuellen Honduras ist seit dem Putsch 2009 aktiv - doch latent gefährdet
Die Regenbogenfahne war am Anfang und am Ende des Zuges kaum zu übersehen, aber auch das Plakat mit den beiden Fotos von Rubi Ferreira ging um die Welt. Es zeigt die LGBTI-Aktivistin als strahlende »Königin von Arcoíris« am Ende eines Schönheitswettbewerbs und als bandagiertes Opfer einer Gewalttat. »Der Schönheitswettbewerb fand letztes Jahr im September statt und ein paar Monate später wurde sie derart verprügelt, dass sie mehrere Wochen im Krankenhaus bleiben musste«, erklärt Frenessys Sahory Reyes. Die 30-Jährige ist Aktivist*n der Transfrauen-Gruppe von Arcoíris, der wichtigsten Organisation der LGTBI-Community in Honduras. »Wir zählen rund 200 Aktivist*nnen bei Arcoíris und haben unser Büro am Rande des Rotlichtviertels«, erklärt die in der Hauptstadt aufgewachsene Transfrau.
Frenessys Sahory Reyes ist bis Ende Mai in Europa unterwegs, um auf die prekäre Situation von Homo-, Trans- und Bisexuellen aufmerksam zu machen. Die Rundreise in Deutschland und die Visite in Brüssel bei Abgeordneten des Europaparlaments haben zum Ziel, für mehr internationale Aufmerksamkeit zu sorgen. Im Idealfall folgt aus dieser Reise mehr Sicherheit für die LGBTI-Szene in Honduras und mehr Respekt vor ihren Grundrechten. Genau dafür sind die Aktivisten in Tegucigalpa auch am 17. Mai mit ihrem Marsch eingetreten, der mit einer Kundgebung vor dem Haus des Präsidenten endete. Dort überreichten die Aktivisten, darunter auch Donny Reyes, der Koordinator von Arcoíris, der Abgeordneten und Anwältin Doris Gutiérrez den Vorschlag für ein neues Gendergesetz. Der Gesetzesentwurf soll die Rechte von Transsexuellen Männern und Frauen stärken und deren Diskriminierung und Verfolgung unter Strafe stellen.
Gutiérrez zählt zu den bekannten Abgeordneten der Partido Innovación Nacional y Unidad (Pinu - Partei der nationalen Einheit und Innovation). Sie unterstützt auch die international bekannt gewordenen Proteste des indigenen Volkes der Lenca, deren Koordinatorin, Berta Cáceres, im März ermordet wurde.
Die Justiz funktioniert nicht in dem Karibikland. Beleg dafür ist die Tatsache, dass 98 Prozent der Straftaten gegen Homo-, Trans- und Bisexuelle nicht aufgeklärt werden. »Laut einer im April 2016 veröffentlichen Studie, an der wir mitgearbeitet haben, wurden seit dem Putsch von 2009 exakt 215 Morde an Aktivisten der LGBTI-Szene registriert«, so Frenessys Sahory Reyes. Darunter zahlreiche Mitstreiter*nnen von Arcoíris wie Paola Barraza. Nur 26 Jahre alt wurde die schmale Transsexuelle, die ein Bein nachzog und deren Gesicht eine dunkle, punktförmige Narbe verunziert hatte. Im Sommer 2015 war sie zum ersten Mal angegriffen worden. Damals hatten ihr die Täter die Waffe von hinten auf das Jochbein unterhalb des Auges gehalten und abgedrückt. Die Kugel, Kaliber 22, war allerdings durch den Knochen abgelenkt worden und im Hinterkopf stecken geblieben. »Paola überlebte und hat bei den Muñecas wieder mitgemacht«, so Frenessys. Am 24. Januar 2016 wurde sie dann vor dem Hauseingang von Killern erschossen.
»Muñecas de Arcoíris« (Puppen des Regenbogens) heißt die Organisation der Transfrauen. Sie bilden einen der vier Pfeiler von Arcoíris. Die anderen drei sind die Transmänner, die Homosexuellen und die Angehörigen, die sich gemeinsam mit der Regenbogencommunity für ein anderes Honduras engagieren. Gemeinsam hatten sie 2009 gegen den Militärputsch gekämpft und die Rückkehr der gewählten Regierung von Präsident Manuel Zelaya ins Amt gefordert.
»Der Putsch war der Wendepunkt«, erklärt der Koordinator von Arcoíris, Donny Reyes. Der stämmige Aktivist, mit seinen 41 Jahren einer der Älteren der Organisation, arbeitet in der nationalen Menschenrechtskoordination und hält den Kontakt zu den politischen Parteien. Darunter ist die Partei für Freiheit und Neugründung (Libre), der Manuel Zelaya und seine Frau Xiomara Castro vorstehen und die derzeit als wichtigste Oppositionspartei Honduras gilt. Auch für die Kontaktpflege zu den Botschaften ist Reyes, der mehrfach das Land wegen Morddrohungen verlassen musste, verantwortlich. Früher sorgte die gute Vernetzung der Menschenrechtsorganisation dafür, dass sie aus dem Ausland gefördert wurde, heute werden nur noch punktuelle Projekte unterstützt. Das Gros der Mittel - für das Büro, die spärlichen Gehälter und die Sachmittel - muss Arcoíris selbst erwirtschaften. Tanzveranstaltungen, Schönheitswettbewerbe wie der der »Königin von Arcoíris« helfen dabei. Von Eintritten und den Erlösen aus Essens- und Getränkeverkäufen lebt die 2003 von Donny Reyes und einigen Mitstreitern gegründete Organisation. Sie hatte bis 2009 eher im Verborgenen agiert, in jener Zeit Kontakte zu Botschaften und international agierenden Menschenrechtsorganisationen aufgebaut. »Seit 2009 nehmen wir an öffentlichen Demonstrationen der Zivilgesellschaft teil. Anfangs beteiligten wir uns an Protestzügen gegen den Militärputsch und forderten die Rückkehr von Präsident Zelaya ins Amt. Im letzten Jahr protestierten wir zusammen mit den honduranischen Indignados (den «Empörten») gegen Korruption und die Straflosigkeit im Land. Außerdem organisieren wir regelmäßig Demonstrationen für unsere eigenen Rechte«, so Reyes.
Bei dem Gründungsmitglied von Arcoíris laufen viele Fäden zusammen und auch in Deutschland hat er Kontakte. Geknüpft hat er diese während eines zehnmonatigen Aufenthalts in Hamburg, ermöglicht durch ein Stipendium der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte. Dabei kam auch der Kontakt zum Münchner Ökumenischen Büro zustande, welches nun die Tour von Frenessys Sahory Reyes koordiniert hat. Sie wird dieser Tage zurückreisen nach Tegucigalpa und dort ihre Arbeit bei Arcoíris wieder aufnehmen. Dabei wird sie weiterhin auf die Zusammenarbeit mit der Abgeordneten Doris Gutiérrez setzen und hoffen, dass deren Einsatz für die Rechte der LGBTI-Bewegung in Honduras bald Früchte tragen wird. Mehr internationale Aufmerksamkeit könnte durchaus helfen, so Reyes. Weitermachen will die Transfrau auf jeden Fall und sagt mit leiser Stimme: »Es gibt keine Alternative zu unserer Arbeit. Weglaufen hilft nicht.«
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