Kinder fliehen nach Melilla
Warum es unbegleitete Geflüchtete in der spanischen Enklave besonders schwer haben
Valencia. Es klingt wie ein hübscher Mädchenname: Mena. Doch es ist eine Abkürzung, hinter der sich schlimme Schicksale verbergen. Mena steht für »unbegleitete minderjährige Ausländer« (menores extranjeros no acompañados). 23.000 dieser Menas sind in den vergangenen Jahren schon in Spaniens nordafrikanische Enklave Melilla gekommen, berichtet der Sozialreferent der autonomen Stadt, Daniel Ventura. Derzeit halten sich 550 von ihnen in Melilla auf. Die normalen Unterbringungsmöglichkeiten sind überbelegt.
Nun will Ventura eine Zeltstadt in Melilla aufbauen lassen, um die Menas angemessen unterbringen zu können. Unterstützt wird er dabei seit kurzem von der Hilfsorganisation »Save the Children«, vor allem aber vom Roten Halbmond, dem Gegenstück zum Roten Kreuz in muslimischen Ländern.
Wer nach Melilla als Flüchtling kommt, wird im Lager Ceti untergebracht. Egal, ob er aus den Ländern südlich der Sahara ist, oder zu den Flüchtlingen aus Syrien gehört, die nicht den Weg über die Ägäis nach Griechenland suchen, sondern über Ägypten, Libyen, Algerien und Marokko. Im Ceti kann man Asylanträge stellen und wird, wenn die angenommen sind, aufs spanische Festland gebracht.
Bei den Menas ist das Verfahren schwierig, weil sie meist keine Papiere haben. Und die meisten kommen gar nicht aus Syrien, was ihnen eine Aufnahme als Kriegsflüchtlinge in der EU sichern würde, sondern aus Marokko. »Es gibt schon marokkanische Dörfer, wo es keine Jugendlichen mehr gibt«, versicherte Ventura, von Beruf Psychologe. Auf den Gedanken mit den Zelten ist er gekommen, weil im Ceti nur Platz für 480 Personen ist und die meisten Menas sich auf der Strasse herumtreiben, betteln, hungern und irgendwo in den Gassen der Stadt Melilla übernachten.
Wie die Jugendlichen eigentlich nach Melilla kommen, ist meist ihr eigenes Geheimnis. Die Stadt hat gut zwölf Quadratkilometer Fläche und 85.000 Einwohner. Die Grenze zu Marokko ist mit einem doppelten Metallgitterzaun gesichert, bis zu sechs Metern hoch. Sechs Grenzübergänge gibt es und einen täglichen kleinen Grenzverkehr mit Nador, der marokkanischen Nachbarstadt. Nur an zweien gibt es die Möglichkeit, Asyl zu beantragen. Im Ceti in der Innenstadt geht das für jeden, der einmal da ist. Die allein reisenden Kinder und Jugendlichen schleichen sich meist mit den marokkanischen Arbeitern oder Händlern über die Grenze, denen sie beim Tragen von Waren helfen.
Syrische Flüchtlinge werden nicht einfach von den spanischen Grenzbeamten durchgelassen. Stellen sie einen Antrag, dann müssen sie zunächst wieder zurück, bis entschieden ist. Die meisten leben solange in bescheidenen Hotels in Nador. Zwischen 800 und 1500 sollen es derzeit sein. Viele nehmen die Dienste von Schleusern in Anspruch, den »Pasadores«, einer richtigen lokalen Mafia. 1000 Euro ist zurzeit der Tarif für gefälschte Einreisepapiere nach Melilla – man gibt sich als Marokkaner aus – pro Person. Für Kinder werden zwischen 400 und 700 Euro verlangt. Bei einer kompletten Familie kann das leicht in die tausende gehen.
Der 30-jährige Issa aus Syrien wollte als Kriegsflüchtling in die EU. Er berichtet: »Ich wollte zu Fuß am Grenzübergang Frajana nach Melilla. Aber die spanische Polizei hat mich nach Marokko zurückgeschickt. Dann habe ich es am Autoübergang versucht. Und dann am Übergang Beni-Enzar, einmal mit meinem syrischen, dann mit einem marokkanischen Pass. Dort hat mich die marokkanische Polizei nicht ausreisen lassen.« Er ist inzwischen irgendwie nach Melilla gekommen. Wie auch Fuad, 25 Jahre alt und auch aus Syrien. Der fasst seine Erfahrungen kürzer zusammen: »Mir hat die Mafia geholfen.«
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