Mehr Geld für die Milchbauern

Agrarminister verspricht Kuhhaltern mindestens 100 Millionen Euro

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Der europäische Milchmarkt leidet unter einem Überangebot und extrem niedrigen Preisen. Die Regierung kündigte nun Hilfen an.

Nur noch 20 Cent für den Liter Milch - viele europäische Bauern können derzeit ihre Kosten nicht decken und stehen vor dem finanziellen Ruin. Seit die EU zum April 2015 die Milchquote abschaffte, darf jeder Milchbauer so viel produzieren, wie seine Kühe schaffen. Die meisten tun das auch. Mit fatalen Folgen für den gesamten Milchmarkt: Die Menge steigt, die Preise sinken, die Bauern verdienen weniger statt mehr. Deshalb treiben sie ihre Kühe zu noch mehr Leistung an oder kaufen sogar neue hinzu, in der Hoffnung, dann kostendeckend zu arbeiten. Einige der rund 73 000 bundesdeutschen Höfe - vor allem kleine Familienbetriebe - mussten schließen, weil sie im Wettbewerb mit den Großställen nicht mithalten können.

Seit Monaten debattieren Politik und Wirtschaft über eine Lösung. Am Montag trafen sich in Berlin auf Einladung von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) Vertreter von Landwirtschaft und Einzelhandel zum Milchgipfel. Nun soll es Hilfen geben, in Form von Bürgschaften, Existenzhilfen, Freibetragsregelungen, Krediten und Steuererleichterungen. Mindestens 100 Millionen Euro wird das Hilfspaket wert sein. Über die genaue Höhe werde er mit seiner Fraktion, der EU und den Bundesländern sprechen, so Schmidt. Um kostendeckend zu arbeiten, müssten die Bauern an einem Liter Milch mindestens 35 Cent verdienen.

Für eine Drosselung der Milchmenge sieht sich Schmidt nicht zuständig, auch wenn er sie für sinnvoll hält. Bauern und Handel müssten sich selbst einigen; es sei »nicht Aufgabe des Staates«, sich in die Preispolitik einzumischen. Er kündigte Kartellrechtsausnahmen an, um Produktionsabsprachen möglich zu machen.

Nicht eingeladen zum Gipfel war der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM). Der stellte dafür vor dem Brandenburger Tor demonstrativ Gummistiefel auf - ein Paar für jeden bereits aufgegebenen Hof. Der Verband fordert, nicht gießkannenartig finanzielle Hilfen auszuschütten, sondern ein Konzept zur Reduzierung der Milchmenge zu erarbeiten. BDM-Chef Romuald Schaber sagte: »Wenn den Bauern Geld zur Verfügung gestellt wird, dann muss es an die Bedingung geknüpft werden, dass sie weniger produzieren.« Um Mengen zu senken, fordert der Verband einen Bonus von 30 Cent für das Nichtproduzieren eines Liters Milch. Solche Maßnahmen müssten aber europaweit koordiniert werden.

Auch andere eher kritische Verbände waren beim Gipfel nicht dabei. Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kritisierte, dass weder die Landwirtschaftsminister der 16 Bundesländer noch kritische Agrarverbände eingeladen waren. Er sprach sich auch für eine Mengenreduktion aus. Verlängerte Kreditlinien erhöhten nur die Verschuldung der Bauern.

Mit den Länderministern will Schmidt am 7. Juni sprechen, kündigte er an. Die Bundesländer aber können ohne die EU wenig ausrichten: Sie versuchten zwar, den Bauern Alternativen anzubieten, die »Summe der Länderpolitiken« könne aber gegen den europäischen Agrarmarkt nicht ankommen, so Habeck. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) hofft auf Brüssel: Die EU-Kommission verfüge über Kriseninstrumente, »um eine zeitlich befristete Mengenreduzierung anzuordnen«.

Pro Kopf und Jahr konsumieren die Bundesbürger rund 90 Kilo Frischmilchprodukte. Dennoch ist ihre Macht begrenzt: Wie die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch am Montag mitteilte, ist es schwierig für Käufer, die Verdienste der Milchbauern zu beeinflussen. Auch wenn Verbraucher »zu einer teureren Milch greifen - beim Landwirt schlägt sich das praktisch nicht nieder«, sagte Sophie Unger von Foodwatch. Die Organisation hatte Milchpreise verglichen und den Preisen gegenübergestellt, die von den Molkereien an die Bauern bezahlt werden. Die Preisspanne im Supermarkt betrug bis zu 83 Cent pro Liter, die Zahlungen an die Bauern aber variierte nur um maximal fünf Cent. Am ehesten kämen die höheren Preise für Biomilch bei den Landwirten an, so Foodwatch.

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