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Gauck-Rückzug belebt Mitte-Links-Debatte

Linkenpolitiker Heilig für gemeinsamen Kandidaten von Rot-Rot-Grün im »Schulterschluss mit der gesellschaftlichen Linken« / SPD-Linke drängt auch: Bloß kein neues Signal für große Koalition

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 5 Min.

Berlin. Der reformsozialistische Flügel der Linkspartei hat sich für einen gemeinsamen Kandidaten von Rot-Rot-Grün im »Schulterschluss mit der gesellschaftlichen Linken« ausgesprochen. »Die Frage nach einer Zusammenarbeit von Mitte-Links stellt sich nach dem Rückzug von Präsident Gauck völlig neu«, erklärte der Bundessprecher des Forums demokratischer Sozialismus in der Linkspartei, Dominic Heilig, gegenüber »nd«. Heilig plädiert für eine rot-rot-grüne Kandidatensuche. »Die parlamentarische Mitte-Links-Mehrheit muss jeden Versuch der parteipolitischen Instrumentalisierung unterlassen und stattdessen den Schulterschluss mit der gesellschaftlichen Linken suchen«, so das Vorstandsmitglied. In das Bündnis sollten »unbedingt auch Piraten und der Südschleswigsche Wählerverband« einbezogen werden.

Vorschlag von Mitte-Links per Urwahl der Basis der Parteien?

Mit Blick auf die in der Linkspartei weiter umstrittene Option Rot-Rot-Grün sagte er, »vielleicht geschehen ja noch Wunder und Mitte-Links sucht zunächst das gemeinsame Gespräch über Inhalte und Personen«. Dies sei sinnvoller, als »weiter bunt Namen« in die Runde zu werfen, »die kaum konsensfähig erscheinen«. Heilig plädierte zudem dafür, »dass die Basismitglieder der drei Parteien, plus die der Piraten und des SSW, gemeinsam mit der gesellschaftlichen Linken eine Urwahl zur Bestimmung einer gemeinsamen Kandidatin bzw. eines Kandidaten anstrengen sollten«.

Zuvor hatten bereits die Linkenchefs Katja Kipping und Bernd Riexinger SPD und Grüne aufgefordert, »eine gemeinsame Kandidatin oder einen gemeinsamen Kandidaten ins Rennen zu schicken. Für das Amt des Staatsoberhauptes wollen wir eine Person, die soziale Gerechtigkeit, Weltoffenheit und Frieden glaubhaft verkörpert«.

Am Montag erneuerten sie das Angebot an SPD und Grüne, es sei nun »die Zeit für Gespräche angebrochen«. Allerdings: »Die jetzt beginnende Debatte um mögliche Kandidaturen für das höchste Amt im Staat darf keine strategische Macht-Arithmetik sein, sondern muss eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Herausforderungen leisten«, so die beiden Politiker. Angesichts der »zunehmenden sozialen und politischen Zerklüftungen« brauche die Bundesrepublik »einen tatsächlichen Aufbruch, der die Werte der sozialen wie politischen Gleichberechtigung und Freiheit aller Menschen in unserem Land gegen den Rechtspopulismus und anwachsenden Nationalismus in Europa verteidigt«. Auch andere Linkenpolitiker hatten sich so geäußert. Alban Werner von der Linkspartei-Strömung »Sozialistische Linke« nannte es »ideal«, wenn die SPD-Linke »einen guten Personalvorschlag in die Welt« setzen würde, der auch für die Linke und die Grünen »tragbar ist und in der Öffentlichkeit auf gute Resonanz stößt.«

SPD-Linke will GroKo-Signal an die Basis verhindern

In der SPD findet die Forderung nach einem rot-rot-grünen Kandidaten ebenso Widerhall. Fraktionsvize Axel Schäfer wurde in der »Welt am Sonntag« mit den Worten zitiert, er sei »entschieden dafür, aus der numerischen rot-grün-roten Mehrheit in der Bundesversammlung eine politische und persönliche Mehrheit zu machen«. Es gebe bereits eine CDU-Kanzlerin, und er wolle »jetzt nicht noch ein Staatsoberhaupt aus den Reihen der Union«. Die Nachfolge-Debatte wird in der SPD-Linken nicht zuletzt als Frage eines möglichen Signals in Richtung der eigenen Basis verstanden. Es dürfe jetzt »kein Signal für eine neue Große Koalition« geben, warnte Schäfer in der »Süddeutschen«.

Auch andere Vertreter der SPD-Linken votierten für Sondierungen mit Grünen und Linkspartei. Die Vorsitzende der DL21 in der SPD, Hilde Mattheis, erhofft sich »ein gutes Signal für andere Konstellationen« davon, wenn sich die Sozialdemokraten bei der Gauck-Nachfolge »nicht an den jetzigen Koalitionspartner« binden würden. Doch das Thema ist in der SPD umstritten. Jene, die bereits den Außenminister Frank-Walter Steinmeier in den Bewerberrang heben wollten, zielen damit sicher nicht auf eine rot-rot-grüne Personalie, können aber das Problem schwacher Umfragewerte damit nicht überdecken. Aus der Linkspartei werden die Sozialdemokraten denn auch daran erinnert, dass die Frage der Präsidentenkandidatur auch Einfluss auf die Bundestagswahl 2017 haben könnte.

Linkenpolitiker für »aktive Rolle« der Partei in der Bundespolitik

»Die SPD muss die Bundespräsidentenwahl 2017 nutzen, um ein politisches Zeichen der eigenen Gestaltungskraft gegen die Union zu setzen«, schreiben der Thüringer Kultusminister Benjamin Hoff und Alexander Fischer, der in der Landesvertretung Berlin des Freistaates arbeitet, in einem gemeinsamen Beitrag zur Debatte. »Dies wäre legitimatorischer Rückenwind für einen SPD-Kanzlerkandidaten, der mehr sein will als Leiter eines sozialdemokratischen Himmelfahrtskommandos. Und es wäre inhaltlich ein Signal, das auch in der Partei gewünscht zu sein scheint.« Für die Linkspartei wiederum, so die Autoren, wäre ein gemeinsamer Kandidat eine Gelegenheit, »gestaltenden Einfluss auf die Bundespolitik zu nehmen«. Hoff und Fischer sehen die Entscheidung auch als Wahl »zwischen als Alleinstellungsmerkmale getarnter Selbstisolation« und »einer aktiven Rollen in der Bundespolitik«.

Wie Heilig geht es ihnen auch um die Reanimierung rot-rot-grüner Bündnisoptionen überhaupt. Diese waren zuletzt zwar etwas unverkrampfter in der Öffentlichkeit diskutiert worden – allerdings sprechen weder die Umfragezahlen der drei Parteien für eine realistische Option, noch sieht es nach substanzieller Annäherung aus. »Es gibt kein linkes Lager der Parteien mehr. Mehr noch: SPD und Grünen haben sich offenbar mit ihrer Rolle als Mehrheitsbeschaffer in einer ‚marktkonformen Demokratie‘« abgefunden, hieß es unlängst in einem Papier der LINKEN-Vorsitzenden Kipping und Riexinger. Heilig sieht stattdessen nun »die Chance mit einem gemeinsamen Kandidaten eine Kampfansage an Merkel und Rechtspopulisten und damit ein unmissverständliches Signal an Europa und damit für den September 2017 auszusenden«.

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