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Debakel für Wirtschaftsliberale

Sozialdemokraten gewinnen Kommunalwahlen in Rumänien

  • Silviu Mihai, Bukarest
  • Lesedauer: 3 Min.
Sechs Monate nach dem Rücktritt von Victor Ponta als Premierminister erobert dessen Partei PSD zum ersten Mal Bukarest. Das lässt die PSD für die Parlamentswahlen am Jahresende hoffen.

Noch nie wurde die rumänische Hauptstadt nach der Wende von Sozialdemokraten regiert, noch nie zuvor hatten die Bukarester eine Frau zum Stadtoberhaupt gewählt. Mit dem Sieg der Fernsehjournalistin Gabriela Firea, die am vergangenen Sonntag rund 43 Prozent der Stimmen gewann, ist es jetzt soweit: Das Machtmonopol der Männer ist durchbrochen, und das linke Lager eroberte zum ersten Mal in der Geschichte die stramm antikommunistische Hochburg der Wirtschaftsliberalen. Gleichzeitig kamen die Kandidaten der Sozialdemokratischen Partei (PSD) in allen sechs Bukarester Bezirken sowie in zahlreichen weiteren Städten und Gemeinden auf den ersten Platz. Vor allem im ländlich geprägten Süden und im strukturschwachen Osten des Landes siegte die PSD sehr deutlich, hier war allerdings das gute Ergebnis weniger überraschend.

Die Partei brauchte dringend diese guten Nachrichten: Ihr Vorsitzender Victor Ponta hatte im November 2014 die Präsidentschaftswahl gegen den Wirtschaftsliberalen Klaus Johannis verloren, ein Jahr später war er wegen eines Korruptionsskandals ins Visier der Justiz geraten, um schließlich auf Druck der Straßenproteste sein Amt als Ministerpräsident am 4. November aufzugeben. Auch gegen viele weitere prominente Sozialdemokraten ermittelt im Moment die Sonderabteilung für die Bekämpfung von Großkorruption, die Partei hat für viele Rumänen nach wie vor den Ruf einer losen Vereinigung, deren einzig wahres Ziel die Bereicherung ihrer Mitglieder ist.

Doch als die Staatsanwälte in den vergangenen zwei Jahren immer mehr Abgeordnete, Geschäftsmänner und Kommunalpolitiker festnahmen und anklagten, stellte sich langsam heraus, dass die Sozialdemokraten eigentlich gar kein Korruptionsmonopol haben, wie ihre Gegner immer wieder behaupteten. Vielmehr ist Filz in Rumänien sehr gleichmäßig zwischen den beiden großen politischen Lagern geteilt. Selbst Präsident Johannis, der das Image des anständigen, fleißigen Siebenbürger Sachsen pflegt, ist aktuell in einen Skandal um ein gefälschtes Testament und eine Immobilienaffäre verstrickt. Deshalb ist die Enttäuschung der Rumänen mit der gesamten politischen Klasse gefährlich hoch.

Seine Nationalliberale Partei (PNL) gilt als größte Verliererin der Kommunalwahlen und geht deutlich geschwächt in den Endspurt zur Parlamentswahl im Dezember. Zwar konnte sie einige Großstädte wie etwa Cluj oder Timisoara erfolgreich verteidigen, doch die vergleichsweise wohlhabenden Wähler in dieser Region gehören traditionell zur Kernklientel der Wirtschaftsliberalen von der PNL.

Das Debakel im reichen und modernen Bukarest verspricht nichts Gutes für die PNL, denn allein mit Siebenbürgen kann keine Wahl gewonnen werden. Der PNL-Kandidat für das Amt des Hauptstadtoberbürgermeisters, Catalin Predoiu, kam mit 13 Prozent der Stimmen lediglich auf Platz drei, weit hinter dem zweitplatzierten Nicusor Dan, einem Mathematiker und unabhängigen Kandidaten, der im Wahlkampf mit seiner neuen Union Rettet Bukarest den »ähnlichen Kurs« der beiden großen politischen Parteien attackierte.

In der Tat waren die Programme von Gabriela Firea und Catalin Predoiu kaum zu unterscheiden, was auch die äußerst geringe Wahlbeteiligung der Bukarester erklärt. Nur 33 Prozent der wahlberechtigten Hauptstadtbewohner gingen zu den Urnen, nicht zuletzt weil keiner der Kandidaten wirklich neue Lösungen für die zahlreichen Probleme der Metropole präsentieren konnte.

Dan sprach vor allem die junge, aktive Mittelschicht an, konnte deshalb aber kaum Stimmen aus anderen Milieus gewinnen. Und selbst die gemäße ihrer Parteimitgliedschaft links angesiedelte Firea ignorierte bisher weitgehend die Anliegen der ärmeren Viertel und vermied eine klare Position etwa gegen die Verdrängung der sozial schwächeren Bukarester aus der Innenstadt. Aber im Moment deutet nichts auf eine Kurskorrektur bei den Sozialdemokraten.

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