Getrieben von der Gier: »Dirty Games«

Der Dokumentarfilm des deutschen Regisseurs Benjamin Best liefert Hintergründe zu den Schattenseiten der Sportwelt

  • Nicolas Stange
  • Lesedauer: 3 Min.
»Dirty Games« ist ein Appell an die Sportfans, sich kritischer mit den Sportgroßereignissen auseinanderzusetzen. Der Dokumentarfilm, der in den Kinos läuft, blickt hinter die Kulissen des modernen Sports.

Einzelne Funktionäre kontrollieren den Sport. Sie sind getrieben von ihrer Gier nach Profit und verschließen ihre Augen, wenn Menschenrechte verletzt werden. Gibt es noch Licht in dieser modernen Sportwelt? Der Dokumentarfilm »Dirty Games«, der seit dem 2. Juni in den deutschen Kinos läuft, glaubt eine Antwort im englischen Manchester gefunden zu haben. Als 2005 der US-amerikanischen Geschäftsmann Malcolm Glazer den Fußballverein Manchester United aufkaufte und anschließend seine privaten Verbindlichkeiten auf den Verein übertrug, gründeten verärgerte Fans aus Protest gegen die Übernahme ihren eigenen Klub.

Der FC United of Manchester soll der Gegenentwurf zur Kommerzialisierung des Fußballs sein. Die Mitglieder, die alle eine Stimme im Verein besitzen, feierten in den vergangenen elf Jahren insgesamt vier Aufstiege: Ihr Verein kämpfte sich von der zehnten Liga in die sechsthöchste Spielklasse Englands hinauf. Sie bauten ihr eigenes Stadion, welches sie zur Hälfte aus privaten Spenden finanzierten und auch kleinere Entscheidungen, wie Fanartikel, werden ausschließlich von den Mitgliedern entschieden. Kein Aufsichtsrat und kein Vorstand setzt sich über sie hinweg. Sie haben sich ihren Sport von den Mächtigen zurückgeholt. Sie rebellieren gegen die FIFA und ihre Akteure: »Die FIFA hat den Fußball nicht erfunden. Er gehört ihr nicht.«

In 90 Minuten möchte »Dirty Games« die Schattenseiten der großen Sportereignisse genauer beleuchten. Neue Enthüllungen liefert der Kinofilm nicht. Vielmehr wird der alltägliche Rechtsbruch, den die mächtigen Sportverbände für die Großereignisse begehen, auf die Kinoleinwand gebracht. Für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro wurden bis 2015 77 000 Menschen umgesiedelt. Die Anzahl dürfte seither noch gestiegen sein - die Bewohner der brasilianischen Favela Vila Autódromo wurden mit Polizeigewalt aus ihren Wohnungen vertrieben - sie sollten für eine Olympische Parkanlage weichen. Die ist jedoch nie gebaut worden. Für die Veranstaltung großer Sportereignisse werden solche Verletzungen der Menschenrechte missachtet.

Eine ähnliche Vorgehensweise gab es auch vor zwei Jahren vor der Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien. Ohne Begründung der Stadtverwaltung wurde dem Brasilianer Eomar Freitas seine Wohnung gegenüber des Maracanã-Stadions enteignet. Dort sollte ein neuer Parkplatz entstehen. Obwohl seine Nachbarn schon längst aus den Wohnungen ausgezogen waren, entschied sich Freitas zu bleiben und für sein Wohnrecht zu kämpfen. »Ich war ein Gefangener in meinem eigenen Haus«, erzählt er im Film. Hätte er sich eine Pizza geholt, dann wären vermutlich Räumungsfahrzeuge angerückt und hätten seine Wohnung zerstört. Aufgrund des »Psychoterrors« zog er letztendlich doch aus. Auch der Parkplatz wurde bis heute nicht gebaut. Dafür dienen die Wohnungsruinen nun als Unterschlupf für Drogenabhängige.

Der Film malt eine schwarze Zukunft. Die Vergabe der Fußball-WM 2022 an den Wüstenstaat Katar hat Zweifel aufgeworfen. Um die protzigen Stadien zu bauen, wirbt Katar unter anderem nepalesische Gastarbeiter an. Bauunternehmen locken die Arbeiter mit einem Lohn von umgerechnet 350 Euro. Für sie ist es mehr Geld, als sie in Nepal verdienen können. Doch in Katar selbst verdienen sie am Ende viel weniger oder sogar überhaupt nichts. Obendrein werden ihre Pässe eingezogen, und sie dürfen das Land nicht verlassen. Es sind die hässlichen Seiten des Sports, die der Zuschauer gern ausblendet, wenn der Ball rollt. »Dirty Games« zwingt den Sportfan nun hinzuschauen, wo er sonst lieber wegschaut: die Voraussetzung für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Sportzirkus.

Bis zum Start der WM 2022, so schätzen mehrere Nichtregierungsorganisationen, werden mehr als 4000 Menschen auf den Baustellen in Katar sterben. So wie auch Bahadur Danuwar. In einer regnerischen Nacht kommt der 28-jährige Familienvater mit dem Flugzeug doch in seine Heimat Nepal zurück: in einem Sarg. Auf seinem Totenschein steht, er sei im Schlaf gestorben. Die wahre Todesursache werden seine Hinterbliebenen wahrscheinlich nie erfahren.

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