Schön, dass wir mal drüber gesprochen haben
SPD-Chef Gabriel macht sich für eine Vermögensteuer stark - mal wieder
Die SPD-Spitze sucht händeringend nach Themen, mit denen sie erfolgversprechend in den Bundestagswahlkampf 2017 ziehen kann. Parteichef Sigmar Gabriel hat sich nun offen für neue Konzepte einer Vermögensteuer gezeigt: »Die Vermögensteuer ist keine Erfindung von Rosa Luxemburg, sondern sie steht im Grundgesetz und wurde von einer schwarz-gelben Bundesregierung unter Konrad Adenauer eingeführt«, sagte er der »Rheinischen Post«. Wenn es gelänge, »ein Konzept zu entwickeln, das diese Probleme vermeidet, könnte ich einen Beschluss zur Wiedereinführung der Vermögensteuer mittragen«. In der Vergangenheit hatte Gabriel die Vermögensteuer für »tot« erklärt. So behauptete er im November 2014 bei einer Diskussionveranstaltung mit dem französischen Ökonomen Thomas Piketty, er sei früher »Vorsitzender des Fanclubs für die Vermögensteuer« gewesen. Als niedersächsischer Ministerpräsident hatte Gabriel die »Verantwortungssteuer« noch befürwortet. Um die gebeutelten Bundesländer zu unterstützen. Inzwischen habe er dazugelernt: »Eine Vermögensteuer hat in Deutschland keine Chance.« Er begründete dies damit, dass eine Abgrenzung von privaten und betrieblichem Vermögen kaum möglich sei.
Als Meldungen am Mittwoch die Runde machten, dass Gabriel die Vermögenssteuer wieder einführen wolle, ruderte der Parteichef zurück: Er habe nichts dagegen, dass Privatvermögen einer Vermögensteuer unterworfen werde. Solange es aber kein Modell gebe, das eine verfassungsrechtlich saubere Unterscheidung zwischen Privat- und Betriebsvermögen ermögliche, solange könne alles Mögliche gefordert werden. Jetzt gebe es erneut die Debatte, ob es doch solche Modelle gebe, sagte Gabriel: »Ich bin gespannt. Bislang kenn ich keines.« Von daher habe sich seine Position nicht geändert, er habe nichts Neues gesagt.
SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel gab sich am Mittwoch offener als sein Chef. »In der Vergangenheit wurde diese Diskussion von Bauchgefühl geprägt«, sagte er der »Welt«. Man wolle das Für und Wider mit der notwendigen Sachlichkeit diskutieren - »und zwar ergebnisoffen«.
Die Steuer wird seit 1997 nicht mehr erhoben. Im letzten Jahr der »Reichensteuer« flossen umgerechnet nur 4,6 Milliarden Euro in die Kassen des Fiskus, die auf die Bundesländer verteilt wurden. Der Steuersatz lag bei Grundstücken, Sparguthaben oder Wertpapieren zwischen 0,5 und 1 Prozent. Die schwarz-gelbe Regierung Helmut Kohl (CDU) setzte dann die Vermögensteuer aus, nachdem zuvor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sein Veto eingelegt hatte.
Der Ertrag lohne nicht den Aufwand, behauptete das unternehmensnahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln damals. Die Gewerkschaft ver.di hielt dagegen: Trotz einer sozialverträglichen Ausgestaltung - beispielsweise mit hohen Freibeträgen für »kleine« Hausbesitzer - könnte eine Vermögensteuern jährlich bis zu 16 Milliarden Euro einbringen.
Gabriel knüpft seinen aktuellen Vorstoß gleich an eine Bedingung: Das Betriebsvermögen von Familienunternehmen müsse freigestellt werden. Um nicht Firmen und Arbeitsplätze zu gefährden. Ein Argument, das auch in der laufenden Diskussion um die Neuregelung der Erbschaftssteuer eine zentrale Rolle spielt.
In der Praxis ist eine steuerliche Trennung von privatem und betrieblichem Vermögen, welches in Familienunternehmen angelegt ist, schwierig. Befürworter einer breit angelegten Vermögensteuer gehen allerdings davon aus, dass die Erträge aus dem Vermögen ausreichen, um den Anspruch des Finanzamtes zu befriedigen, ohne dass die Substanz eines Unternehmens angegriffen werde.
So halten die Ökonomen in der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik eine einmalige Abgabe »für Superreiche« von zwei Prozent auf Betriebsvermögen von mehr als zwei Millionen Euro für vertretbar. Um die Klippe Bundesverfassungsgericht bei der »längst überfälligen Wiederbelebung« der Vermögensteuer zu umschiffen, sollte die Bewertung von Immobilienvermögen am aktuellen Verkehrswert ausgerichtet werden. Der Steuersatz könnte ein Prozent betragen, so die Memo-Gruppe, und auf ein Vermögen von mehr als 500 000 Euro erhoben werden.
Die LINKE geht hier sogar noch einen Schritt weiter: Parteichef Bernd Riexinger verwies am Mittwoch auf eine Forderung seiner Partei, wonach eine solche Steuer in Höhe von fünf Prozent bei Vermögen oberhalb einer Million Euro greifen solle. »So sind Einnahmen von bis zu 80 Milliarden Euro möglich«, unterstrich Riexinger.
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