Fair versendet
Der Kreuzberger Onlinehändler Fairmondo setzt auf das Genossenschaftsprinzip
Einen fairen und verantwortungsbewussten Konsum fördern, das ist der Anspruch des Berliner Onlinemarktplatzes Fairmondo. Um diesem gerecht zu werden, wird auf vieles verzichtet, das bei anderen Unternehmen Voraussetzung für ökonomischen Erfolg ist - etwa einen Teil der Verkaufspromotion. Das ist der Betrag, den Händler Produzenten für den Vertrieb ihrer Waren in Rechnung stellen. Sieben Prozent nimmt Fairmondo für jeden verkauften Artikel. Doch davon geht ein Prozent an die Nichtregierungsorganisation Transparency International. Und bei fair produzierten Waren werden nur drei Prozent fällig. »So können wir diese Produkte für den Käufer attraktiver machen«, sagt Christian Peters, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit. Auch auf Werbung wird verzichtet. Zumindest, wenn sie »einen unverantwortlichen Konsum fördert«. Im Handel beliebte Rabattaktionen à la »kauf eins, nimm zwei« gibt es bei Fairmondo nicht.
Das Start-up wurde 2013 gegründetes und hat seinen Sitz in Berlin-Kreuzberg. Seit 2014 ist der Marktplatz online. »Wir wollen eine faire Alternative zum hochkonzentrierten Internethandel bieten«, sagt Peters. Kein Wunder, dass im Gespräch häufig der Name Amazon fällt. Ob miese Arbeitsbedingungen in den Versandzentren, mangelnder Datenschutz oder laxe Steuermoral - all das soll es bei Fairmondo nicht geben.
Der Onlinehandel ist weltweit ein Riesengeschäft – und die Branche verändert sich so schnell wie kaum eine zweite. Vergrößerung, Expansion, Schnelligkeit, heißen die Zauberwörter. Allen voran geht der US-Onlineriese Amazon. Der Konzern kündigte kürzlich an, in Indien drei Milliarden Dollar (2,6 Milliarden Euro) investieren zu wollen, um vom schnell wachsenden Markt dort zu profitieren.
Amazon-Chef Jeff Bezos sagte, sein Unternehmen haben in Indien bereits 45 000 Jobs geschaffen. Die Beschäftigten dort hätten auch die »ambitioniertesten Meilensteine« erreicht. Allerdings hat Amazon in Indien mit heimischen Konkurrenten wie Snapdeal oder Flipkart zu kämpfen, die sich in der Vergangenheit bereits Milliardeninvestitionen aus dem Ausland gesichert haben.
Aber nicht nur die Bedingungen in anderen Ländern regeln den Marktzugang für Onlinehändler. Die EU etwa hat auch ein Wörtchen mitzureden. So sollen Verbraucher nach dem Willen der EU-Kommission überall in Europa zum gleichen Preis online einkaufen können. »Verbraucher aus anderen EU-Staaten müssen wie Einheimische behandelt werden«, sagte Kommissionsvize Andrus Ansip. Auch bei elektronischen Dienstleistungen oder Eintrittsgeldern dürften Kunden aus verschiedenen EU-Staaten keine unterschiedlichen Preise abverlangt werden. nd
Doch um sich ernsthaft mit dem US-Händler messen zu können, ist es noch ein langer Weg. Das hat nicht nur mit dem vergleichsweise geringen Umsatz Fairmondos zu tun. Der lag 2015 bei knapp über 70 000 Euro; Amazon erwirtschaftete 10,645 Milliarden Euro, allein in Deutschland. Auch von Amazons umfassenden Warenangebot ist man in Kreuzberg noch weit entfernt. Wer durch die Fairmondo-Seite klickt, findet vor allem Bücher und Produkte aus fairer Herstellung - oft nur für Menschen mit besserem Einkommen bezahlbar.
Dafür gibt es Vielfalt. Und es findet sich eine Reihe von Waren, die es beim großen Konkurrenten nicht gibt. So hat sich das Fairphone zu einem Fairmondo-Bestseller entwickelt. Dabei handelt es sich um ein Smartphone, für dessen Produktion keine Mineralien aus Bürgerkriegsregionen verwendet werden, wie es bei herkömmlichen Handys der Fall ist. Die Gestaltung der Marktplatzseite ist übersichtlich; Filter helfen, gezielt faire, biologische oder Produkte kleiner Hersteller anzusteuern.
Darauf lasse sich aufbauen, meint Peters und verweist auf steigende Umsätze und die wachsende Zahl der Kunden. 13 436 Menschen sind aktuell bei Fairmondo mit einem Konto registriert. Jeden Monat kämen 300 bis 500 dazu. Bald soll im Geschäftsbericht eine schwarze Null stehen.
Zudem plant Fairmondo, als Buchhändler mit eigenem Lager aufzutreten. Bisher betreiben die Berliner nur einen Marktplatz, auf dem Händler ihre Produkte anbieten. Zustände wie in den Versandzentren von Amazon, wo Beschäftigte über miese Arbeitsbedingungen klagen, soll es allerdings nicht geben. »Auch hier setzen wir natürlich auf faire Löhne und gute Arbeit«, so Peters.
Aufgrund der fehlenden Gewinne dürfte es aber noch etwas dauern, die größeren Ziele zu erreichen. Sechs der zehn Mitarbeiter sind ehrenamtlich beschäftigt, darunter auch Gründer und Vorstandsmitglied Felix Weth. Der Rest arbeitet auf 450-Euro-Basis, Teile des Kreuzberger Etagenbüros sind untervermietet.
Dennoch bauen die Fairmondo-Gründer auf ihr Geschäftsmodell, das von über 2100 Genossenschaftsmitgliedern getragen wird. Um eine von den Geldgebern autonome Unternehmenspolitik zu garantieren, ist die höchste Einlage pro Mitglied auf 24 000 Euro begrenzt. Die Geschäftsleitung wird nicht von Investoren, sondern von Mitarbeitern gewählt.
Ein weiterer Grundsatz der Genossenschaft ist absolute Transparenz. Deshalb werden alle Geschäftszahlen - vom Kontostand bis zur Steuererklärung - im Internet veröffentlicht. Steuern werden da gezahlt, wo der Mehrwert geschaffen wird.
Nun soll das Genossenschaftsmodell internationalisiert werden. Am weitesten sind die Pläne in Großbritannien: Im Herbst soll Fairmondo UK online gehen. Auch im US-amerikanischen Silicon Valley wird an der Gründung einer Fairmondo-Genossenschaft gearbeitet. Anders als bei Tochterunternehmen von Konzernen sollen die Genossenschaften jedoch autonom bleiben. »In unserer multinationalen Genossenschaft sind die Nutzer der jeweiligen Länder die Eigentümer«, erklärt Peters.
Der Onlinehandel wächst massiv. 2014 betrug der Anteil 19 Prozent des gesamten Non-Food-Handels. Ein Ende ist nicht abzusehen. Gleichzeitig gibt es eine Unmenge kleiner und regionaler Unternehmen, die auf faire Produktion setzen. Im Internet bieten sie ihre Produkte aber häufig alleine an. Für diese Klientel möchte Fairmondo eine zentrale Plattform bieten - bevor Amazon und Co. auf die Idee kommen.
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