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Haben Nazis ausgetrauert?

Rechtsextreme wollen Marsch durch Bad Nenndorf verschieben

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Künftig kein dumpfes Gewummer auf Landsknechtstrommeln in Bad Nenndorf? Keine gleichfalls dumpfen Parolen mehr, gebrüllt von Rechtsradikalen? Keine Straßensperrungen, kein immenses Polizeiaufgebot wegen einer Horde neuer und alter Nazis, die vom Bahnhof zum Kurzentrum trottet? Wenn all dies mit Ja beantwortet werden könnte, wäre das der größte Erfolg der vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich seit Jahren mit fantasievollen Aktionen des Bündnisses »Bad Nenndorf ist bunt« gegen den braunen Auftrieb wehren. Der Veranstalter hat eine »mögliche Verschiebung« angekündigt, bestätigte am Dienstag der Landkreis Schaumburg. Erstes Anzeichen für das Ende des Nazispuks?

Begonnen hatte er 2006, als sich Rechtsextreme die 15 000 Einwohner zählende Kurstadt zum Wallfahrtsort erkoren hatten, denn: Dort liegt das »Wincklerbad«, ein Therapiehaus, das die britische Besatzungsmacht nach dem Krieg zum Verhörzentrum umfunktioniert hatte. Geheimdienstler sollen dort hochrangige Funktionäre und Militärs des Hitlerregimes gewaltsam zu Aussagen gezwungen haben. Von »Opfern des alliierten Folterlagers« sprechen die Trauermarschierer.

Eine neuen Termin für ihr Spektakel haben die Neonazis bislang nicht angegeben, heißt es vom Landkreis. Kommt die ungeliebte Schar gar nicht? Nie wieder? Womöglich hat sie resigniert angesichts ihres Schrumpfkurses. Tönten und dröhnten 2010 noch rund 1000 Gleichgesinnte durch das Städtchen, so waren es schon drei Jahre später nur noch 460, und 2015 zählte die Polizei ganze 174 Marschierer, denen mehr als 1000 Antifaschisten gegenüber standen.

Als »Zwergenaufstand« hatte DGB-Regionalsekretär Steffen Holz den kümmerlichen Nazitrupp bezeichnet, dem von einer breiten Bevölkerung nur Ablehnung, Hohn und Spott entgegen schlug. Mittlerweile werden die Trauermarschierer auch innerhalb der rechten Szene nicht mehr ernst genommen, landen auch dort in der Isolation, sagte Holz am Dienstag im Gespräch mit »nd«. Die Akteure des Rechtspopulismus hätten inzwischen ganz andere Themen als die Verherrlichung des Nationalsozialismus.

Der Verfassungsschutz in Niedersachsen teilt diese Einschätzung, konstatiert in seinem jüngsten Bericht: Gehörten früher Aktionen mit historischem Bezug zum NS-Regime zur »ideologischen Festigung« der Rechtsextremen, hätten solche »weltanschaulichen Pflichtveranstaltungen« ihre Bedeutung weitgehend verloren. Das zeige sich auch an der nur noch geringen Beteiligung am Trauermarsch in Bad Nenndorf.

Geschmolzen ist in ihm auch die Zahl der Naziprominenten. Vor Jahren war noch der ehemalige Vizechef der rechtsextremen britischen Partei BNP, Richard Edmonds, in der braunen Kolonne zu sehen, ebenso die mehrfach verurteilte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. Im vergangenen Jahr hatte sich von den einflussreichen Rechtsextremisten nur noch Thomas Wulff sehen lassen, in der Szene nach einem SS-Führer »Steiner« genannt.

Dass man ihn und seine Gesinnungsfreunde in Bad Nenndorf nie wieder sehen wird, hoffen dort sehr viele Menschen. Allerdings, so gibt die Kreisverwaltung zu bedenken: Da bislang kein anderer Termin für den Marsch benannt wurde. bleibe es »nach derzeitigem Stand bei der Anmeldung zum 6. August«. Dann oder später: Die Antifaschisten bleiben wachsam. »Auch sehr kurzfristig«, so betont DGB-Mann Holz, »sind wir mit unseren Aktionen zur Stelle.«

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