Schlechte Karten für Hollande

Vorsitzender der französischen Sozialdemokraten torpediert Gespräche über einen gemeinsamen Kandidaten der französischen Linken

  • Felix Syrovatka
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Vorschlag des Vorsitzenden der französischen Sozialdemokratie (PS), Jean-Christophe Cambadélis, schlug ein wie eine Bombe: Der Präsidentschaftskandidat der Linken soll nicht mehr wie bisher durch Vorwahlen bestimmt, sondern auf einem Sonderparteitag der Parti Socialiste (PS) gewählt werden. Damit mischt sich Cambadélis in die aktuellen Diskussionen über eine gemeinsame Vorwahl der gesamten französischen Linken ein.

Im Januar hatten verschiedene Persönlichkeiten der französischen Linken aus Kunst, Politik und Wissenschaft in einem Aufruf eine solche Abstimmung eingefordert, um die Zersplitterung der Linken bei den Präsidentschaftswahlen im April 2017 zu überwinden und einen gemeinsamen Kandidaten gegen die französische Rechte und den Front National aufstellen zu können. Auf ihren Parteitagen haben sich die Kommunistische Partei Frankreichs (PCF) als auch die Grünen für eine solche Vorwahl entschieden. Auch die sozialdemokratische PS hat einen grundlegenden Beschluss bereits gefasst, entscheidet jedoch endgültig an diesem Samstag über ihr weiteres Vorgehen.

Der Vorstoß von Cambadélis zu diesem Zeitpunkt muss daher als ein letzter Versuch interpretiert werden, eine gemeinsame Vorwahl der französischen Linken zu verhindern und Francois Hollande als Präsidentschaftskandidat der Sozialdemokratie – trotz miserabler Umfragewerte – durchzusetzen. Denn das Hollande nicht zu den beliebtesten Präsidenten Frankreichs gehört, ist allgemein bekannt. In einer kürzlich veröffentlichten Umfrage bewerten nur 11 Prozent der Bevölkerung seine politische Bilanz positiv. Doch in seiner eigenen Partei kann Hollande immer noch auf politischen Rückhalt zählen. Bei den Parteimitgliedern und Anhängern der PS wäre der ehemalige Parteivorsitzende mit 30 Prozent immer noch der favorisierte Präsidentschaftskandidat. Auf einem Parteitag der Parti Socialiste wäre seine Wiederwahl trotz starker Kritik vom linken Flügel der Partei mehr als gesichert.

Anders würde die Situation für Francois Hollande bei einer gemeinsamen Vorwahl der französischen Linken aussehen. Dann würde er nach Umfragen des Forschungsinstituts TNS Sofres mit nur sieben Prozent deutlich abgeschlagen auf dem sechsten Platz landen. Als Sieger aus einer gemeinsamen Vorwahl würde theoretisch Wirtschaftsminister Emanuel Macron (29 Prozent) herausgehen, noch vor dem derzeitigen Premierminister Manuel Valls (19 Prozent). Macron und Valls haben jedoch schon angekündigt, sich bei einer erneuten Kandidatur Hollandes nicht zur Wahl zu stellen. Hinter den beiden Kabinettsmitgliedern käme der Kandidat der französischen Linkspartei Parti de Gauche, Jean-Luc Mélenchon (17 Prozent) sowie der ehemalige Wirtschaftsminister und Galionsfigur des linken PS-Flügels Arnaud Montebourg (15 Prozent). Selbst der Umweltschützer und Aktivist Nicolas Hulot (14 Prozent) wäre weit vor Francois Hollande.

Innerhalb der radikalen Linken sind gemeinsame Vorwahlen jedoch stark umstritten. Denn bei einer Wahl von Emmanuel Macron oder Manuel Valls würde jeweils ein Architekt der französischen Austeritätspolitik zum gemeinsamen linken Präsidentschaftskandidaten, der von allen teilnehmenden Parteien unterstützt werden müsste. Sowohl Macron als auch Valls stehen noch weiter Rechts als Francois Hollande und waren federführend für die Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre verantwortlich. Auf der anderen Seite würde die Wahl eines gemeinsamen linken Kandidaten nicht nur die Chancen erhöhen, als Linke die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen zu erreichen und somit dann nicht einen konservativen Kandidaten gegen den Front National unterstützen zu müssen. Zudem könnte ein gemeinsamer Wahlantritt im besten Fall die Grundlage für eine gemeinsame und langfristige Plattform links von der PS darstellen und damit zu einer Erneuerung der Linken beitragen.

Dieses Dilemma jedoch kann derzeit von der parteiförmigen radikalen Linken nicht produktiv aufgelöst werden. Denn trotz der aktuellen gesellschaftlichen Situation schafft sie es nicht, einen Erneuerungsprozess anzustoßen und sich als Alternative sowohl für den linken Flügel der PS als auch für große Teile der Bewegung darzustellen. Vielmehr versinkt sie zunehmend in Streitigkeiten, wie sie sich beispielsweise im parallel zum Parteitag der PCF stattfindenden Wahlkampfauftakt von Jean-Luc Mélenchon manifestiert haben. Ein gemeinsamer Wahlantritt von Parti de Gauche und PCF, wie noch bei den letzten Wahlen, scheint immer unwahrscheinlicher zu werden.

Dabei steht die französische Linke derzeit vor einer historischen Herausforderung: Vor dem Hintergrund der allgemeinen Politisierung durch die Proteste und Streiks gegen das Loi El Khomri wäre ein gemeinsamer Kandidat der französischen Linken, der nicht nur mit der aktuellen Reformpolitik im Arbeitsmarkt- und Sozialbereich bricht, sondern sich auch offen gegen die Austeritätspolitik der Europäischen Union positioniert, eine wirkliche Chance, diese Herausforderungen anzugehen. Zudem wäre es ein starkes Signal gegen den rechtsradikalen Front National. Dieser würde in aktuellen Umfragen nämlich relativ sicher und mit deutlichem Abstand die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen erreichen.

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