So viel Unrecht in der Welt
Portugal und Österreich haben beim 0:0 Probleme mit ihren Stars Ronaldo und Alaba
Angst ging um in der Halbzeitpause im Pariser Prinzenpark. »Wenn die eins schießen, dann bricht die Mannschaft auseinander«, befand ein österreichischer Journalist nach den ersten torlosen 45 Minuten im Spiel der Austria-Elf gegen Portugal. Es wurde diskutiert. Aber keiner wollte widersprechen. Ein Kollege versuchte zumindest Hoffnung zu machen und wiederholte nur den ersten Teil des Satzes: »Wenn die eins schießen!«
Die Portugiesen schossen keines. Das lag vornehmlich an Cristiano Ronaldo. Von neun portugiesischen Chancen hatte er sechs. In der 82. Minute schaute er erst beschwörend in den Himmel, um dann den Kopf fallen und die Schultern hängen zu lassen. Er wusste: Sein Auftritt war dahin. Drei Minuten vorher hatte er die größte Möglichkeit vergeben, als er vom Elfmeterpunkt nur den Pfosten getroffen hatte.
Die Partie war eine besondere für Ronaldo. Mit nun 128 Einsätzen in der Nationalelf hat er Luis Figo als Rekordspieler Portugals abgelöst. Mit seinem insgesamt 16. EM-Spiel hat er zu den dort Führenden aufgeschlossen. Es hatte den Anschein, als wollte er diesen Abend auch besonders inszenieren. Kurz bevor die Nationalhymne Portugals gespielt wurde, stand Ronaldo schon in Pose. Da bemerkte er, dass sein Einlaufkind vor ihm nicht so richtig dazu passt. Also zog er das Kind an sich, legte ihm dessen Hand aufs Herz und brachte sich selbst wieder in Stellung. Die ersten Klänge der Hymne hatte er da schon verpasst.
Schnellstmöglich musste er dann auch auf dem Platz zeigen, wessen Abend das werden sollte. Den ersten Zweikampf führte er in der vierten Minute, in der eigenen Hälfte: Statt einen einfachen Pass zu spielen, drehte er sich ohne Raumgewinn drei Mal um seinen Gegenspieler - um dann den einfachen Pass zu spielen.
Das große Leiden in Mimik und Gestik kam in der 22. Minute. Da hatte Cristiano Ronaldo gerade seine erste große Torchance vergeben. Richtig Theater gab es 14 Minuten später: Portugal war im Angriff, Ronaldo nahm erst das Tempo raus und wollte dann per Hackentrick den Ball zu Raphaël Guerreiro bringen. Es misslang, sein Mitspieler musste in einen unnötigen Zweikampf, nach dem Schieds- und Linienrichter dann eindeutig auf Einwurf für Österreich entschieden. Ronaldo wollte es nicht gesehen haben, schnappte sich den Ball und setzte zum Einwurf an. Vollkommen verblüfft ließ er Ball fallen und beklagte mit einem fassungslosen Lachen das große Unrecht in dieser Welt. Ronaldo, der sich selbst für den größten Fußballer der Welt hält (»In meinem Kopf bin ich der Beste«), war am Samstagabend zumindest der auffälligste Spieler. Zudem haben die Portugiesen noch eine Reihe hervorragender Fußballer in ihrer Mannschaft: in der Verteidigung Pepe, im Mittelfeld Joao Moutinho oder Andre Gomes, der ein sehr gutes Spiel machte, und im Angriff neben Ronaldo den schnellen Nani. Dennoch bleiben sie trotz Klasse und internationaler Erfahrung als Team häufig hinter den Erwartungen zurück. Vielleicht auch, weil sich alles ein wenig zu viel um ihren Kapitän Ronaldo dreht. Bleibt seine Inszenierung ohne Höhepunkt, läuft's oft auch nicht für Portugal.
Und die Österreicher? Ein Tor geschossen haben sie auch nicht. Aber immerhin auch keins bekommen. Und so applaudierten die Fans im Prinzenpark nach dem Schlusspfiff. »Die Mannschaft hat alles rausgehauen«, sagte ihr Trainer Marcel Koller nach dem Spiel. Wenn das alles war, dann wird’s auch im letzten Gruppenspiel gegen Island sehr schwer. Was ist aus der Mannschaft geworden, die Österreichs Fußballverbandschef Leo Windtner nach der ohne Niederlage geglückten EM-Qualifikation als »Sensation Europas« bezeichnete?
Will man großzügig sein, kann man den Österreichern fünf gute Minuten im Spiel gegen Portugal zugestehen. In der 41. Minute hatte David Alaba durch einen Freistoß die erste Torchance, in der 46. Minute prüfte Stefan Ilsanker Torwart Rui Patricio mit einem Weitschuss - und dazwischen ließen sie sich mal nicht von den Portugiesen düpieren. Mehr Offensives kam nicht von den Österreichern. Die wohlwollenden Fans mussten sich damit begnügen, gewonnenen Zweikämpfen Szenenapplaus zu spenden.
Die Österreicher waren zu langsam - individuell und als Mannschaft, am Ball und ohne Ball. Sie machten viele Fehler, waren unsicher im Aufbau, spielten ideenlos und fast ängstlich. Und sie hatten im Prinzenpark auch ein Problem mit ihrem bekanntesten Spieler. David Alaba vom FC Bayern München wurde nach einer ganz schwachen Vorstellung nach 65 Minuten ausgewechselt. Bei seinem Abgang wollte er Trainer Koller zuerst nicht mal die Hand geben.
Geklärt ist diese Angelegenheit noch nicht. Während Koller sich darauf beschränkte, dass es »eine schwierige Partie für Alaba« gewesen sei, sagte der Spieler, dass er nicht wisse, warum er ausgewechselt wurde und dass er darüber gern noch mal sprechen würde. Vielleicht will Alaba auch über Aufstellung und Taktik sprechen? Denn vollkommen ungewohnt spielte der Regisseur als zweiter Stürmer. Klären müssen beiden Teams nach dem 0:0 am kommenden Mittwoch auch noch ihr Weiterkommen: Österreich trifft auf Island, Portugal spielt gegen Ungarn.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.