Steuern sparen auf Kosten der Entwicklungsländer
Finanzausschuss des Bundestags befasste sich mit gängigen Praktiken von deutschen Banken und Konzernen
Wenn die Politik mal wieder über Steueroasen diskutiert, dann denken viele zuerst an exotische Orte wie Panama oder die Bahamas. Doch auch in der Bankenmetropole Frankfurt legen Reiche aus aller Welt ihr Geld an, um zu Hause weniger Steuern zahlen zu müssen. Der Finanzausschuss des Bundestages beschäftigte sich am Montag in einer öffentlichen Anhörung mit der »Auswirkung von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung auf die Entwicklungsländer«. Die Staaten des globalen Südens verlieren dabei gleich doppelt: Zum einen sind da die illegalen Steuerpraktiken von Konzernen, durch die den armen Ländern im Jahr 2015 rund 200 Milliarden Euro verloren gegangen sein sollen, wie der Internationale Währungsfonds schätzt. Zum anderen nutzen die einheimischen Eliten den grenzenlosen Kapitalverkehr, um ihr oft widerrechtlich angeeignetes Vermögen dem Fiskus zu entziehen.
Hier kommt der Finanzplatz Deutschland ins Spiel: Der als Experte geladene Markus Meinzer vom Netzwerk Steuergerechtigkeit verwies auf Zahlen der Bundesbank, wonach das Finanzvermögen von Steuerausländern im Jahr 2013 bis zu drei Billionen Euro betragen habe, wovon mindestens elf Prozent aus Schwellen- und Entwicklungsländern kamen. Da diese Kapitalerträge in der Bundesrepublik nicht besteuert würden, dienten sie potenziell auch der Hinterziehung. So entstünden »bis zu 24 Milliarden Euro jährlich an Steuerverlusten durch Deutschland«, betonte Meinzer. Die hiesige Gesetzeslage steht krummen Geschäften nicht im Wege. Denn »Gelder aus ausländischen Korruptions-Straftaten wie Untreue, Vorteilsnahme oder Erpressung darf ein deutscher Banker straffrei annehmen und verwalten«, so Meinzer in seiner Stellungnahme für den Finanzausschuss. Kein Wunder, dass Potentaten wie der Ägypter Hosni Mubarak oder Saddam Hussein einen Teil ihres Vermögens in Deutschland parkten bzw investierten.
Wo andererseits deutsche Unternehmen im Ausland tätig sind, versuchen sie, ihre Steuerlast zu mindern. Diese nicht nur unter deutschen Konzernen weit verbreitete Praxis veranlasste die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), ein Projekt gegen Steuervermeidung und Gewinnverkürzung (BEPS) aufzulegen. Es sieht unter anderem strengere Rechenschafts- und Bilanzierungsregeln für Konzerne vor. Denn noch fehle den Steuerbehörden in Entwicklungsländern »der Zugang zu Informationen, was auf der anderen Seite passiert«, wie der OECD-Experte James Karanja aus Kenia erläuterte. Markus Meinzer schätzte, dass die fehlenden Informationen die Entwicklungsländer bis zu 13 Prozent ihrer Steuereinnahmen kosteten.
Eine Lösung böte das von der OECD empfohlene »Country-by-Country-Reporting«. So müsste die Konzernmutter in Deutschland ihre Berichte nach Ländern aufschlüsseln, also Informationen über Umsatz und Personal für jeden Staat, in dem man aktiv ist, veröffentlichen. Noch behandeln viele Unternehmen diese Angaben gegenüber Entwicklungsländern als Geheimsache. Dementsprechend schwer sei es für die Behörden, Steuern zu erheben, erklärte Karanja.
Gerade für Entwicklungsländer seien die Ertragssteuern aber von enormer Wichtigkeit, wie der Experte vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) unterstrich, da Lohn- und Verbrauchssteuern in den armen Volkswirtschaften nur wenig einbrächten. Um so fragwürdiger sind die Steuertricks, derer sich die Unternehmen bedienen. Reimar Pinkernell von der Kanzlei Flick Glocke Schaumburg, den man wohl als Insider bezeichnen kann, verwies auf das sogenannte Treaty-Shopping. Hierbei machen sich Konzerne bilaterale Abkommen zunutze, die etwa eine Doppelbesteuerung vermeiden. Jahrelang liefen so etwa Indiengeschäfte vieler Unternehmen über den kleinen Inselstaat Mauritius, der vertraglich von Indien begünstigt war.
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