Türkei verweigert Flüchtlingen Ausreise nach Deutschland
Trotz Visum werden 52 hochqualifizierte Syrer von Migrationsbehörde festgehalten
Istanbul. Die Türkei verweigert Dutzenden syrischen Flüchtlingen die Ausreise, obwohl Deutschland ihnen bereits ein Visum erteilt hat. Seit Inkrafttreten des Anti-Flüchtlingspakts hätten die türkischen Behörden 52 syrischen Geflüchteten die Ausreise in die Bundesrepublik nicht genehmigt, teilte das Bundesinnenministerium der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mit. Gründe für die Verweigerung der Ausreisegenehmigung wurden bisher nicht genannt.
292 Syrern sei die Ausreise dagegen erlaubt worden, teilte das Ministerium mit. Sie seien seit April nach Deutschland übergesiedelt. Zuletzt ging am vergangenen Donnerstag ein Flug von Istanbul aus. Weitere Fälle seien noch in Bearbeitung. Die Ausreisegenehmigung ist der letzte Schritt vor der legalen Überfahrt nach Deutschland. Zuvor werden die Flüchtlinge überprüft, ihnen werden gegebenenfalls Visa erteilt und sie werden auf Flüge gebucht. Nur ein Bruchteil der Asylbewerber erhält jedoch die Möglichkeit oder hat die notwendigen Ressourcen.
Die Praxis der türkischen Behörden sorgt für Irritationen bei EU-Staaten, die von der Türkei Flüchtlinge aufnehmen. Nach Angaben aus EU-Kreisen hat die Migrationsbehörde (DGMM) der Türkei bei einem Treffen in Ankara vergangene Woche eingeräumt, dass hochqualifizierte Flüchtlinge nicht ausreisen sollten.
Bereits im vergangenen Monat hatte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR die Türkei aufgerufen, gut ausgebildeten Syrern wie Ingenieuren oder Ärzten nicht die Weiterreise in die EU zu verwehren. Der »Spiegel« hatte berichtet, die Türkei lasse im Zuge des Flüchtlingspakts keine gut ausgebildeten Syrer wie Ingenieure, Ärzte oder Facharbeiter in die EU ausreisen. Stattdessen schicke Ankara viele »schwere medizinische Fälle oder Flüchtlinge mit sehr niedriger Bildung«.
In der Türkei halten sich etwa 2,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien auf. Die große Mehrheit muss laut Amnesty International ohne die Unterstützung der Regierung auskommen und lebt teilweise unter katastrophalen Bedingungen. So gebe es beispielsweise nur für zehn Prozent der syrischen Flüchtlinge Platz in Flüchtlingslagern, die anderen Asylsuchenden müssen selber eine Unterkunft organisieren.
Amnesty International interviewte 57 Flüchtlinge in der Türkei zwischen März und Mai 2016. Alle berichteten von großen Schwierigkeiten, praktisch ohne finanzielle Hilfe der Regierung ihr Überleben zu sichern. Die meisten von ihnen sind von Familienangehörigen, anderen Asylsuchenden oder religiösen Gemeinschaften abhängig. Sie erzählten Amnesty, dass sie in Moscheen, Parks oder Metrostationen schlafen, weil sie die Miete für ein Zimmer nicht aufbringen können. dpa/nd
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