Konzerne verweigern Veränderung
Opfer und Angehörige des schweren Fabrikbrandes in Pakistan sind immer noch nicht angemessen entschädigt
Knapp vier Jahre nachdem bei einem verheerenden Brand in einer Textilfabrik im pakistanischen Karachi 260 Arbeiter starben und über 30 verletzt wurden, erhöhen Aktivisten aus Pakistan und deutsche Unterstützer den Druck auf den Textildiscounter KiK. Das deutsche Unternehmen solle die Opfer und die Hinterbliebenen endlich angemessen entschädigen und dafür Sorge tragen, dass vergleichbare Unglücke in Zukunft verhindert würden, fordern die Aktivisten. Ihre Argumentation: In dem Gebäude wurden überwiegend, vielleicht sogar ausschließlich KiK-Produkte hergestellt. Also stehe KiK in der Verantwortung für die Produktionsbedingungen in der 7000 Kilometer von der Firmenzentrale im westfälischen Bönen entfernten Produktionsstätte.
Voraussichtlich Ende nächster Woche wird das Landgericht Dortmund entscheiden, ob sie klagenden Textilarbeitern Prozesskostenhilfe gewährt. Dies gilt als Indikator dafür, ob die Richter der Klage eine hinreichende Erfolgsaussicht beimessen. Die Kläger wollen in dem bisher einmaligen Verfahren Schadensersatz durchsetzen.
Parallel dazu findet eine Reihe hoch emotionaler Veranstaltungen in mehreren deutschen Städten statt, in denen Aktivisten der Vereinigung der von dem Fabrikbrand Betroffenen auf ihr Anliegen hinweisen. So auch am Montagabend in Düsseldorf. »Wir suchen immer noch nach Gerechtigkeit, klopfen an jede Tür und haben nichts erreicht«, sagte Saeeda Khatoon, Mutter eines der verbrannten Fabrikarbeiter. KiK habe wenig versprochen und nichts gehalten. Der Discounter müsse zur Verantwortung gezogen und gleichzeitig ein Exampel statuiert werden.
Verklagt wurden auch die pakistanischen Fabrikbesitzer, zudem ein italienischer Dienstleister, der dem Gebäude hinreichende Brandschutzstandards zertifiziert hatte - knapp drei Wochen vor der Katastrophe. Das Fabrikgebäude in Karachi war am 11. September 2012 zum tödlichen Gefängnis geworden: Die Fenster waren vergittert, der einzige Ausgang durch gelagerte Waren versperrt. Auch deshalb verbrannten oder erstickten so viele Menschen.
KiK hatte zunächst eine angemessene Entschädigung in Aussicht gestellt. Nun kontert der Konzern, das Unternehmen wolle die Ermittlung der individuellen Ansprüche faktenbasiert und transparent durchführen. Deswegen habe man ein Verfahren bei der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vorgeschlagen. Die Gespräche darüber liefen mittlerweile. Verzögert worden seien sie durch die Opfervertreter. KiK dagegen habe die Verhandlungen nicht blockiert, sondern sich »konstruktiv in den Verhandlungsprozess eingebracht« und war deshalb »überrascht, dass zusätzlich und parallel der Klageweg beschritten wurde«, betont eine Unternehmenssprecherin.
Durch internationale Solidarität müsse KiK gezwungen werden, die Rechte der Arbeiter zu akzeptieren, forderte dagegen Nasir Mansor. Doch der Textildiscounter sei kein Einzelfall, betonte der Vizevorsitzende des pakistanischen Gewerkschaftsverbands. »Die multinationalen Konzerne haben nichts gelernt. Alle Firmen in Pakistan haben dieselben Arbeitsbedingungen.« Nationales wie internationales Arbeitsrecht würde meist ignoriert, in den Fabriken, in denen für den europäischen und nordamerikanischen Markt produziert werde, herrsche schlicht Chaos. Wegen der unmenschlichen Arbeitsbedingungen wachse zudem »ein Monster«: der radikale Islamismus. Das Monster wird in der Tat immer größer.
Unterstützt werden die KiK-Kritiker vom Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte, der Hilfsorganisation Medico International sowie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Immerhin gelang es so, den Staatssekretär des sozialdemokratisch geführten nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums auf das Podium zu bewegen. Doch Günther Horzetzky fiel vor allem dadurch auf, dass er Vorschläge erbat, wie bestehendes Arbeitsrecht im globalen Süden durchgesetzt werden könnte.
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