Panamakanal XL
Das mittelamerikanische Land eröffnet am Sonntag seine erweiterte Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik
Was haben die Panama Papers und der Panamakanal gemeinsam? Für das einst arme Land, gelegen im Hinterhof der Vereinigten Staaten, sind sowohl die globalen Finanzaktivitäten wie auch der globale Seeverkehr sprudelnde Einnahmequellen. Seit über hundert Jahren ist der 82 Kilometer lange Panamakanal der bis heute konkurrenzlose Schifffahrtsweg quer durch Mittelamerika. Dem globalen Warentransport erspart er den über 10 000 Kilometer weiten und gefahrvollen Umweg um das berüchtigte Kap Hoorn an der Spitze Südamerikas.
Früher von den USA verwaltet, wurde der Kanal erst 1999 in panamaische Hände gelegt. Die neue Kanalverwaltungsbehörde »Autoridad del Canal de Panamá« (ACP) begann mit der Renovierung der von den früheren Betreibern über Jahrzehnte auf Verschleiß gefahrenen Anlagen. Mehr als zwei Milliarden Dollar spült der Kanal inzwischen pro Jahr in die Staatskasse, fast 10 000 Menschen beschäftigt allein die ACP.
Dabei passierten im vergangenen Jahr »nur« 15 000 Schiffe die Wasserstraße, halb so viele wie den deutschen Nord-Ostsee-Kanal. Doch die Abkürzung zwischen Atlantik und Pazifik ist teuer - etwa 200 000 Dollar zahlen Reeder pro Frachter. Denn der Weg ist technisch komplex: Ein System aus Schleusen hebt Schiffe für die Passage des künstlich gestauten Gatun-Sees 26 Meter hoch und senkt sie auf der anderen Seite wieder auf Meereshöhe ab.
Bisher können nur Schiffe der »Panamax«-Klasse den Kanal passieren. Doch die schmalen Schiffe, die mit Ach und Krach 5000 Container (TEU) an Bord bekommen, sind schon seit den 1980er Jahren im Warenhandel nicht mehr das Maß aller Dinge. Der Aufstieg Chinas und die Globalisierung verlangten seit der Jahrtausendwende immer längere und dickere »Pötte«. Und die vielen relativ kleinen Frachter stauen sich oft tagelang vor den Einfahrten des Panamakanals. Der wirtschaftliche Lebensquell des Landes drohte zu versiegen.
2006 stimmten die rund drei Millionen Einwohner zu, dass die künstliche Schifffahrtsstraße modernisiert und erweitert werden soll: durch das Graben neuer Teilkanäle, Vertiefung der Fahrrinne durch den Gatun-See und das Gießen neuer Schleusenkammern - die alten, noch von Franzosen projektierten Schleusen von 1904 sollen weiter genutzt werden, da sie grundsolide sind. Trotz Unfällen auf den Baustellen, wochenlanger Streiks und finanzieller Nachverhandlungen zwischen der Kanalbehörde und dem vom spanischen Konzern Sacyr geführten Baukonsortium GUPC blieb das Projekt laut offiziellen Angaben im vorhergesehenen Kostenrahmen von 5,25 Milliarden Dollar. Allerdings wurde der Zeitrahmen um ein gutes Jahr überzogen, was bei Infrastrukturprojekten dieser Größenordnung aber nicht viel ist. Das Jahrhundertwerk ist damit deutlich preiswerter als es der neue, mittelgroße Flughafen Berlin-Brandenburg sein wird.
Die Investition soll sich für Panama in wenigen Jahren auszahlen. Weit größere Schiffe werden die neuen Schleusen passieren können. Dies dürfte den Schiffbau verändern und neue Standards setzen: Experten rechnen damit, dass Werften spezielle »Neo-Panamax«-Schiffe bauen werden, die bis zu 14 000 TEU Laden können. An die ganz großen Mega-Liner mit 20 000 TEU und mehr reicht das indes bei Weitem nicht heran. Aber die werden ohnehin hauptsächlich auf der blauen Schnellstraße zwischen China und Nordeuropa eingesetzt.
Verändern wird der neue Panamakanal auch die Logistik - in den Vereinigten Staaten. Am Sonntag wird - nach der feierlichen Eröffnung durch Staatspräsident Juan Carlos Varela - das chinesische Containerschiff »Andronikos« mit 9400 Containern an Bord als erstes die neue Schleusenstrecke befahren. Bislang legten dicke Pötte aus Asien an der US-Westküste an. Per Bahn gelangte die Fracht dann an die Ostküste. Nun können auch große Frachter den Kanal passieren. Die Folge: In den nächsten Jahren müssen die Ostküstenhäfen ausgebaut werden. Das trifft auch den größten, New York. Die Hafeneinfahrt wird bisher von einer Brücke versperrt, unter der große Containerschiffe nicht hindurch passen.
Ohne wirtschaftliche Risiken ist der große Kanal allerdings nicht. Bleibt der Preis für Treibstoffe so niedrig wie heute, lohnt sich die teure Kanaldurchfahrt für viele Reeder wegen der hohen Gebühren nicht. Und der Gabun-See könnte zum Problem werden: Führt er zu wenig Süßwasser, fehlt es an Tiefgang für große Schiffe. Womöglich nimmt ein Teil des Schiffsverkehrs einen anderen Weg: Nicaragua plant seit 2014 einen eigenen, 250 Kilometer langen Kanal.
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