Österreich: Bundespräsidentenwahl muss wiederholt werden

Verfassungsgericht erklärt zweiten Wahlgang für ungültig / Termin für Neuwahl soll am Dienstag verkündet werden / Bundeskanzler Kern: Arbeit des Gerichts stärkt Glauben an den Rechtsstaat

  • Lesedauer: 7 Min.

Update 15.10 Uhr: Van der Bellen will Zusammenhalt in Österreich stärken
Österreichs Grünen-Chef Alexander Van der Bellen ist auch für die Wiederholung der Präsidentenwahl siegessicher. Das österreichische Verfassungsgericht hatte die Wahl am Freitag wegen Fehlern bei der Auszählung für ungültig erklärt. »Wenn ich es einmal geschafft habe, kann ich es auch ein zweites Mal schaffen«, sagte der 72-jährige Wirtschaftsprofessor. Van der Bellen hatte in der nun ungültigen Stichwahl Norbert Hofer von der rechten FPÖ nur ganz knapp geschlagen.

»Wir werden in den kommenden Monaten wieder eine breite Bürgerbewegung auf die Beine stellen«, sagte Van der Bellen. Er erhalte viel Unterstützung. Ihn erreichten bereits Spenden, um den Wahlkampf zu finanzieren. »Das ist kein Spiel. Mir geht es um den Zusammenhalt in Österreich«, betonte Van der Bellen.

Update 13.45 Uhr: was sagt das Urteil im Detail?
Mit einem spektakulären juristischen Erfolg haben sich die Rechtspopulisten in Österreich eine zweite Chance auf das Präsidentenamt erkämpft. Laut dem Verfassungsgericht in Wien hatte es bei der Auszählung der Stimmen der Briefwähler zwar keinen Wahlbetrug gegeben, aber Vorgänge wie das vorzeitigige Öffnen und vorschriftswidrige Lagern der Kuverts sowie das teilweise Auszählen durch Unbefugte seien Grund genug für eine Neuauflage. Das Wahlgesetz sei aber streng auszulegen.

Das Gericht untersagte auch die vorzeitige bundesweite Weitergabe von Teilergebnissen der Bundespräsidenten-Stichwahl an Medien und Forschungsinstitute. Dieser Vorgang sei einer der Gründe für die bundesweite Aufhebung der Stichwahl, sagte Holzinger. »Diese Veröffentlichung verstößt gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl«, so der Präsident. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Weitergabe an ausgewählte Empfänger von Einfluss auf das Ergebnis sein konnte.

Innenminister Wolfgang Sobotka will nun zusammen mit Außenminister Sebastian Kurz (beide ÖVP) dafür sorgen, dass in den Bezirken, die Fehler gemacht hatten, Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eingesetzt werden. Ob es in den Behörden personelle Konsequenzen geben werde, sei noch unklar, meinte Sobotka. Über das genaue Datum der Stichwahl um das höchste Amt im Staat will die Regierung kommende Woche beraten.

Update 13.35 Uhr: Hofer darf an der Macht schnuppern
Österreich steht nach der gekippten Stichwahl nun ohne Staatsoberhaupt da. Dadurch ergibt sich eine pikante Situation: Bis der neue Bundespräsident gewaählt wird, werden dessen Amtsgeschäfte vom dreiköpfigen Präsidium des Nationalrates übernommen. Neben der Parlamentspräsidentin Doris Bures (SPÖ) gehören dem Gremium, der ÖVP-Politiker Karlheinz Kopf und ausgerechnet FPÖ-Mann Norbert Hofer an. Der allerdings will bekanntlich Staatsoberhaupt werden und steht nun vor der Herausforderung, das Amt und den Wahlkampf voneinander zu trennen. »Ich trenne hier sehr klar«, versprach Hofer in einem Statement vor der Presse nach der Urteilsverkündung in Wien. Der Rechtspopulist nutzt sogleich die Möglichkeit, die rechte FPÖ abermalls als mögliches Opfer darzustellen. »Es gab Raum für Manipulationen«, sagte Hofer, da Menschen die Stimmen alleine ausgezählt hatten. »Was diese Menschen getan haben, entzieht sich meiner Kenntnis«, ergänzte er.

Update 13.00 Uhr: Van der Bellen-Unterstützer bereiten sich auf kurzen Wahlkampf vor
Wie nehmen die beiden Kontrahenten aus der Stichwahl die Entscheidung aus Wien auf? Von Seiten der FPÖ und ihres unterlegenen Kandidaten Nobert Hofer war bisher keine offizielle Stellungnahme zu vernehmen. Die Rechtspopulisten teilten bisher lediglich auf ihrer Facebookseite die Entscheidung mit, ohne diese zu kommentieren. Auch der Grüne Alexander van Der Bellen will erst um 14.30 Uhr vor die Kameras treten und ein Statement abgeben. Seine Unterstützer indes laufen sich für einen kurzen Wahlkampf bereits warm. Wie DerStandard.de berichtet, ruft die Initiative »Gemeinsam für van der Bellen« dazu auf, sich »unserer Bürgerbewegung« anzuschließen. Der Vorsitzende des Vereins Lothar Lockl sagte, man respektiere die Entscheidung der Richter und man wolle mit einer »großen Bürgerbewegung auch die Wiederholung der Stichwahl gewinnen«. Er könne es aber verstehen, wenn nun Wähler »verärgert« seien, weil einige Bezirkswahlleiter sich nicht ordnungsgemäß an das Wahlgesetz gehalten haben.

Update 12.48 Uhr: Bundeskanzler kündigt Verkündung des neuen Wahltermins für Dienstag an
Inzwischen hat sich auch Österreichs Bundeskanzler Christian Kern zum Urteil des Verfassungsgerichtes in Wien geäußert. Der SPÖ-Politiker betonte, der zweite Wahlgang sei von den Richtern nicht wegen aufgedeckter Manipulationen sondern wegen formaler Fehler für ungültig erklärt worden. Kern wünscht sich für die anstehende Neuwahl einen kurzen Wahlkampf und hofft auf eine hohe Wahlbeteiligung. Die Anfechtung der FPÖ sei »das gute Recht« der Partei gewesen, betonte Kern. »Die Arbeitsweise der Verfassungsrichter bringt den Glauben an den Rechtsstaat ganz deutlich wieder zurück«, so der Kanzler.

Update 12.15 Uhr: »Die Entscheidung macht niemanden zu einem Verlierer oder Gewinner«
Die österreichische Bundespräsidentenwahl muss wegen Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenauszählung im ganzen Land wiederholt werden. Das teilte der Verfassungsgerichtshof des Landes am Freitag nach Überprüfung einer Wahl-Anfechtung der rechten FPÖ mit.

»Die Entscheidung macht niemanden zu einem Verlierer oder Gewinner«, hieß es in der öffentlich verkündeten Begründung des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs, Gerhart Holzinger. Das Urteil diene dazu, das Vertrauen in den Rechtsstaat und die Demokratie zu stärken.

Die FPÖ hatte die Wahl nach der knappen Niederlage ihres Kandidaten Norbert Hofer wegen zahlreicher Gesetzesbrüche in Bezirkswahlbehörden angefochten. Der Grünen-nahe Alexander van der Bellen hatte vor sechs Wochen die Stichwahl gegen Hofer mit nur 31.000 Stimmen Vorsprung gewonnen.

Van der Bellen kann nun nicht wie geplant am 8. Juli seinen Amtseid ablegen. Der scheidende Präsident Heinz Fischer muss übergangsweise von einem Kollegium aus dem Parlamentspräsidenten und dessen zwei Stellvertretern ersetzt werden - darunter der Abgeordnete Hofer. Wann die Wahl wiederholt wird, ist noch unklar.

Update 12.05 Uhr: Bundespräsidentenwahl muss wiederholt werden
Die österreichische Bundespräsidentenwahl muss wegen Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenauszählung wiederholt werden. Das teilte der Verfassungsgerichtshof des Landes am Freitag nach Überprüfung einer Wahl-Anfechtung der rechten FPÖ mit.

Urteil in Wien zur Präsidentenwahl erwartet

Berlin. Am 8. Juli sollte der neue österreichische Bundespräsident vereidigt werden. Genau eine Woche vor der geplanten Amtseinführung wird am Freitagmittag das Urteil über die Gültigkeit der Wahl erwartet. Um 12 Uhr will der Verfassungsgerichtshof seine Entscheidung über die Wahlanfechtung der rechten FPÖ verkünden. Die Stichwahl zwischen dem von den Grünen unterstützten Alexander van der Bellen und dem FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer könnte in Teilen oder zur Gänze wiederholt werden müssen. Der Gerichtssprecher kündigte Entscheidungen für den Mittag an.

Der österreichische »Standard« geht davon aus, dass die Stichwahl aufgehoben wird und beruft sich dabei auf »wohlinformierte Juristen«. Es könne aber sein, dass die Aufhebung nur einzelne Stimmbezirke betreffe, in denen es zu Ungereimtheiten gekommen war.

Van der Bellen hatte die Stichwahl am 22. Mai mit einem Vorsprung von nur knapp 31.000 Stimmen vor dem FPÖ-Kandidaten Hofer gewonnen. Die FPÖ hatte nach der knappen Niederlage die Wahl wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in 94 von 117 Bezirkswahlbehörden angefochten.

Das Gericht musste an fünf Verhandlungstagen prüfen, ob die Wahl trotz formaler Mängel gilt. Zur Klärung der Vorwürfe wurden 90 Zeugen geladen.

Zahlreiche Wahlverantwortliche räumten bei den Befragungen Regelverstöße bei der Auszählung der Briefwahlstimmen ein. Demnach wurden etliche Vorschriften verletzt. So wurden aus Zeitnot Kuverts vorzeitig geöffnet und Stimmen auch teils von nicht Befugten ausgezählt. Hinweise auf Wahlbetrug oder Manipulationen gab es bisher aber nicht.

Bisher mussten nur zwei Bundeswahlen – die Nationalratswahl von 1970 und jene von 1995 – jeweils in einzelnen Regionen wiederholt werden. In beiden Fällen hatte die FPÖ die Wiederholung beantragt, jedes Mal verlor die ÖVP ein Mandat. Am 8. Juli sollte eigentlich planmäßig der Nachfolger von Bundespräsident Heinz Fischer vereidigt werden. Der Sozialdemokrat scheidet nach zwölf Jahren verfassungsgemäß aus dem Amt. Agenturen/nd

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