Allein und überschuldet
Weiter viele zahlungsunfähige Privatpersonen
Trotz gesunkener Erwerbslosigkeit, gestiegenen Reallöhnen und der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes befinden sich die Armutsgefährdung und die Überschuldung privater Haushalte in Deutschland nach wie vor auf hohem Stand. Das geht aus dem am Freitag in Berlin vom Statistischen Bundesamt (Destatis) vorgestellten Bericht zur Überschuldung von Privatpersonen hervor.
Die Erhebung beruht auf einer Befragung von 410 der 1400 Schuldnerberatungsstellen in allen Teilen Deutschlands, deren Angaben entsprechend gewichtet und hochgerechnet wurden. Dennoch, so Destatis-Präsident Dieter Sarreither, böten die Daten kein umfassendes Bild von der Armut in Deutschland. Er verwies auf andere Untersuchungen, laut denen jede sechste Person in Deutschland als arm oder armutsgefährdet gilt. Allein im vergangenen Jahr gab es 350 000 Stromabschaltungen wegen unbezahlter Rechnungen. Eine Befragung habe ferner ergeben, dass jeder dritte Haushalt nicht in der Lage wäre, eine außerplanmäßige Ausgabe von 1000 Euro aus eigenen Reserven zu schultern.
Längst nicht alle Fälle von Überschuldung landen bei den Beratungsstellen, die im vergangenen Jahr 647 000 Hilfesuchende betreuten. In 78 500 Fällen wurde 2015 ein Privatinsolvenzverfahren eingeleitet. Das ermöglicht dem Schuldner, nach einer »Wohlverhaltenszeit« von insgesamt sechs Jahren von seinen Restschulden befreit zu werden. Doch die Beratungsstellen sind überlastet: Zwischen dem Erstkontakt und dem Beginn der eigentlichen Beratung und Betreuung liegen im Durchschnitt Wartezeiten von zehn Monaten.
Das Datenmaterial liefert vor allem Aufschluss über Ursachen, Formen und gesellschaftlicher Verteilung der Überschuldung. Überproportional betroffen sind demnach alleinerziehende Mütter und allein lebende Männer in der Altersgruppe zwischen 25 und 44 Jahren. Allerdings sei gerade bei deutlich älteren Menschen von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da in dieser Bevölkerungsgruppe Scham und Angst vor Stigmatisierung besonders ausgeprägt seien, so Sarreither. Die Haltung »die sind doch selber Schuld« sei nach wie vor weit verbreitet.
Dabei sei Überschuldung nur in elf Prozent der bei den Beratungsstellen bearbeiteten Fälle auf eigenes Fehlverhalten wie dauerhaft unwirtschaftliche Haushaltsführung oder überdimensionierte Anschaffungen trotz bereits prekärer Finanzlage zurückzuführen. Vielmehr seien in den meisten Fällen unvorhersehbare Ereignisse wie Scheidung, Tod eines Partners, Unfälle, Krankheit oder Verlust des Arbeitsplatzes Auslöser der Überschuldung.
Größte Gläubigergruppe sind demnach die Banken. Es folgen folgen Behörden, z.B. Finanzämter, und Inkassounternehmen. Auffällig sei die steigende Bedeutung von nicht mehr auszugleichenden Dispokrediten für die Zahlungsunfähigkeit. Jüngere Schuldner stehen oftmals mit hohen Summen bei Telekommunikationsunternehmen in der Kreide.
Eine Gesamtquote überschuldeter Haushalte mag das Destatis auf Grundlage dieser Erhebung nicht angeben. Laut der Wirtschaftsauskunftei Creditreform waren zum Stichtag 1. Oktober 2015 rund 6,7 Millionen Bürger über 18 Jahre als überschuldet einzustufen. Das entspricht einer Quote von 9,9 Prozent. Kriterien für diese Einstufung sind »nachhaltige Zahlungsstörungen« sowie die Einschätzung, dass die Schulden in absehbarer Zeit nicht aus eigener Kraft getilgt werden können.
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