Appell fordert Debatte über Alternative zum Euro
Initiative Eurexit: Währungsmodell ist »Schlüsselfrage für EU-Zukunft« / Lafontaine, Flassbeck, De Masi und andere für »ergebnisoffene Diskussion«
Berlin. Nach dem britischen Brexit-Votum plädieren Politiker aus der Linkspartei und Ökonomen für eine ergebnisoffene Debatte über eine währungspolitische Alternative zum Euro. Der Ausgang der Volksabstimmung über den EU-Austritt Großbritanniens habe »gezeigt, dass die EU nicht weitermachen kann wie bisher. Es ist an der Zeit, grundlegend umzusteuern«, heißt es in dem unter anderem vom früheren Bundesfinanzminister und Ex-Linkenchef Oskar Lafontaine, den Wirtschaftswissenschaftlern Heiner Flassbeck und Martin Höpner sowie vom Publizisten Lucas Zeise unterstützten Appell der »Initiative Eurexit«. Um »unkontrollierten, konfrontativen oder gar explosiven Brüchen« der EU vorzubeugen, sei auch »eine Klärung der Währungsfrage dringend und unumgänglich«.
In dem Aufruf wird dies als »eine Schlüsselfrage für die Zukunft der EU« bezeichnet. »Es muss über Alternativen zum Euro nachgedacht werden.« Notwendig sei deshalb »eine ergebnisoffene Diskussion, um die verschiedenen Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, auf ihre Tauglichkeit zu prüfen«. Im Zentrum der Diskussion soll nach dem Willen der Unterzeichner »die Frage nach den Möglichkeiten und Bedingungen einer einvernehmlichen Auflösung der Einheitswährung zugunsten eines neuen europäischen Währungsregimes stehen«. Unabdingbar sei auch, »dass einzelnen Staaten oder Staatengruppen ein geregelter, solidarisch abgefederter und freiwilliger Ausstieg aus dem Euro-System ermöglicht wird«. Ein neues System soll dabei zu währungspolitischer Kooperation verpflichten »und rein nationalstaatliche Politiken vermeiden«.
Debatten über Alternativen zur Gemeinschaftswährung sind nicht neu – im Zuge des als »Coup« kritisierten Vorgehens der EU-Institutionen gegen die SYRIZA-geführte Regierung war unter anderem auch über einen selbstbestimmten Ausstieg Griechenlands aus dem Euro diskutiert worden. Die Suche nach linken Alternativen zur Gemeinschaftswährung war zudem Teil der »Plan B«-Konferenzen, bei denen seit Anfang 2016 über Mittel beraten wurde, die Machtposition der EZB einzuschränken und »einzelnen Volkswirtschaften die nötige Flexibilität und Autonomie für ihre wirtschaftliche Entwicklung und die Überwindung von Krisen« zu ermöglichen, wie es nun auch im Appell heißt.
Die Position eines linken Euro-Ausstiegs ist nicht unumstritten. Die Unterzeichner des Appells halten der Kritik an ihrer Auffassung unter anderem entgegen, dass »die auch in linken Kreisen anzutreffende Meinung, die Währung sei ökonomisch neutral«, ein Irrtum sei. Auch sei der Vorhalt, eine Alternative zur gegenwärtigen Konstruktion der Gemeinschaftswährung bestärke den Rückzug in nationalstaatliche Politiken, unzutreffend. »Wir wollen eine an den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung und an ökologischen Erfordernissen ausgerichtete Wirtschaftspolitik, eine gerechte Steuer- und Sozialpolitik«, so der Appell. »Welcher Ebene – lokal, national, europäisch – dabei welche Rolle zukommen sollte, ist eine ergebnisoffene Frage der Diskussion.«
»Eine Sakralisierung des Euro ist nicht akzeptabel«, warnen die Unterzeichner. »Als zentrales Element einer Volkswirtschaft ist eine Währung auch immer Ausdruck gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Der Euro ist mehr als Münzen, Geldscheine und der Kontostand auf der Bank. Er ist ein System aus Regeln und Institutionen, mit der EZB an der Spitze. Die Art und Weise, wie ein Währungssystem ausgestaltet ist, hat enormen Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft«, so der Aufruf. Es werde inzwischen von vielen Experten eingeräumt, »dass der Euro eine Fehlkonstruktion ist«.
Zu den Unterstützern des Appells gehören neben Politikern der Linkspartei wie dem Europaabgeordneten Fabio De Masi und mehreren Bundestagsabgeordneten auch Lydia Krüger, Steffen Stierle und Peter Wahl, die beim globalisierungskritischen Netzwerk Attac engagiert sind. Zum Teil haben die Aufrufenden auch schon den Appell für »einen Lexit aus dem Euro-System« unterstützt, der in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde. Darin wird eine »internationalistische Alternative« zu den europaweit wachsenden Anti-EU-Positionen von rechts gefordert. »Vor dem Hintergrund des alarmierenden Demokratieabbaus, der Zerstörung sozialer Rechte und der Privatisierung öffentlichen Eigentums müssen emanzipatorische Kräfte in Europa auf der Basis von Selbstbestimmung realistische und glaubwürdige Alternativen zum autoritären, neoliberalen Integrationsmodell vorlegen«, so die Unterzeichner des Lexit-Papiers. tos
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