Bundesregierung erkennt Völkermord an

Die Massaker an Herero und Nama in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika werden neu bewertet

Zum ersten Mal hat die Bundesregierung die Massaker in der früheren Kolonie Deutsch-Südwestafrika in einem offiziellen Dokument als Völkermord eingestuft.

»Die diesbezüglichen Antworten des Sprechers des Auswärtigen Amtes und des Regierungssprechers spiegeln die Position der Bundesregierung wider.« Hinter diesen dürren Worten in einer Antwort auf eine dem »nd« vorliegende parlamentarische Anfrage der Linksfraktion im Bundestag verbirgt sich ein fundamentales Eingeständnis der Bundesregierung: Erstmals beurteilt sie die Massaker an Herero und Nama Anfang des 20. Jahrhunderts unter deutscher Kolonialherrschaft im heutigen Namibia offiziell in Gesamtheit als »Völkermord«.

Vorgeprescht war am 10. Juli 2015 der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Dr. Martin Schäfer, der in der Bundespressekonferenz die Ereignisse von 1904 bis 1908 im heutigen Namibia als »Völkermord« bezeichnete. Ob diese Einschätzung eher persönlicher oder amtlicher Natur war, ist durch die Antworten auf die Anfrage nun geklärt, vieles andere bleibt offen.

Fakt ist: Die Bundesregierung ändert damit offiziell ihre Bewertung der Gräueltaten deutscher Truppen in der damaligen Kolonie, wo nach Schätzungen rund 90 000 Herero und Nama gezielt getötet wurden. Bisher hatte Deutschland immer betont, dass die »historischen Ereignisse« erst seit Inkrafttreten der UN-Völkermord-Konvention 1951 als Genozid eingestuft werden könnten. In diesem Jahr hatte allerdings der Bundestag bereits die Massaker an den Armeniern von 1915 und 1916 im Osmanischen Reich als Völkermord verurteilt.

»Ich fordere die Bundesregierung auf, ihrer historischen Verantwortung während der Verhandlungen gerecht zu werden statt einseitig ihre Interessen durchzusetzen. Mit den einseitigen Statements des Sonderbeauftragten Polenz und deutschen Botschafters Schlaga von letzter Woche wird es keine dauerhafte und zufriedenstellende Lösung geben, die von allen Parteien anerkannt wird«, sagte der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Niema Movassat dem »nd«.

Am Mittwoch kündigte das Auswärtige Amt in Berlin an, dass Deutschland sich bei Namibia offiziell für den Völkermord im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika entschuldigen will. Die laufenden Gespräche zwischen beiden Seiten über eine Regierungserklärung sollten bis zum Jahresende abgeschlossen werden. Geplant ist eine gemeinsame Erklärung der Regierungen und Parlamente Deutschlands und Namibias, in der die Massaker ausdrücklich als Völkermord bezeichnet werden. Darüber hinaus soll eine deutsch-namibische »Zukunftsstiftung« ins Leben gerufen werden. Zudem soll es neue Infrastrukturprojekte wie Meerwasser-Entsalzungsanlagen geben.

Von Reparationen und direkten Gesprächen mit den Nachfahren kein Wort. Die Forderung von Movassat »Die Nachfahren der Opfer dieses Völkermords gehören mit an den Verhandlungstisch!« verhallt noch ungehört.

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