Frankreich: Der Militäreinsatz im Inneren hilft nicht
Im Ausnahmezustand wurden so viele Soldaten im Inneren abgestellt wie zuletzt während des Algerienkriegs
Nach dem Anschlag von Nizza hat Präsident Francois Hollande den Ausnahmezustand – ganz gegen seine kurz zuvor geäußerte Absicht – um drei Monate verlängert. Hausdurchsuchungen ohne richterliche Genehmigung, Hausarrest für Terrorverdächtige und Versammlungsverbote gehen weiter. Dabei sind die Streitkräfte wie die zivilen Sicherheitskräfte am Ende ihrer Kräfte.
Zuvor hatten konservative Abgeordnete aus Nizza und der Region Alpes-Maritimes dem Präsidenten die Ankündigung der Aufhebung des Notstands als Fehlentscheidung vorgeworfen. Wie die linksliberale französische Tageszeitung »Libération« berichtet, erklärte der Abgeordnete der Républicains, Eric Ciotti: »Wir brauchen einen permanenten Ausnahmezustand, denn die Bedrohung ist permanent und äußerst hoch.«
So viel Militär wie zuletzt bei dem Algerienkrieg
Nach den Anschlägen von 2015 hat die Armee im Rahmen der Operation »Sentinelle« (Wache) permanent 10 000 Soldaten abgestellt, um im Innern des Landes eine »Show of Force« also eine sichtbare Drohkulisse aufzubauen. So viel Militär war seit dem Algerienkrieg und dem Putschversuch der Organisation armée secrète (OAS) nicht mehr präsent. Das ist über sieben Jahrzehnte her.
Schon seit Monaten sind die Lehreinrichtungen leer gefegt, Ausbildung findet nur noch marginal statt. Was sich negativ auf die Auslandseinsätze auswirkt. Nicht einmal 60 Tage – das sind zwei Drittel der NATO-Norm – bleiben im Schnitt, um Soldaten auf den auswärtigen Kampf gegen echten oder mutmaßlichen islamischen Terrorismus zu führen. Französische Militärs sind im Sahelgebiet und auch im Sahararaum, in Irak und Syrien eingesetzt. 3500 Militärs wurden nach Mauretanien, Mali, Niger, Tschad und Burkina-Faso geschickt, um Terror zu bekämpfen. An der von den USA geführten Koalition gegen den »Islamischen Staat« beteiligt sich Frankreich mit 1000 Soldaten.
Die Dauereinsätze im Innern wie im Ausland gehen an die Substanz. Da hilft es wenig, dass Paris den Anfang 2013 beschlossenen Abbau von 34 000 militärischen Dienstposten gestoppt und den Verteidigungshaushalt um rund fünf Milliarden Euro aufgestockt hat. Es zeigt sich zunehmend: Militär ist nicht hilfreicher, wenn es um die Erfüllung von Polizeiaufgaben geht. Diese Erfahrung sollten sich die Autoren des gerade erschienenen deutschen Weißbuches zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr sehr genau anschauen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.