Banken im Umbruch

Europas Geldhäuser müssen auf vielen Baustellen Lösungen finden

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Kostspielige Regulierung, Nullzinsen und Fintech-Konkurrenz - Europas Banken steht zurzeit das Wasser bis zum Hals. Warum sieht es in den USA ganz anders aus?

Lasst Banken pleite gehen - das fordert die »Wirtschaftsweise« Isabel Schnabel. »Schwache Banken sollten aus dem Markt ausscheiden«, sagt die Professorin für Finanzmarktökonomie an der Universität Bonn, die auch dem fünfköpfigen Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung angehört.

Seit den Turbulenzen rund um das Brexit-Referendum ist dies wieder ein Thema. Derzeit steht noch der italienische Bankensektor im Fokus der Finanzakteure und Politiker, doch reichen die Probleme weit über Italien hinaus: Nur 9 der 25 Banken, die beim letzten Stresstest der Europäischen Zentralbank (EZB) durchgefallen waren, kommen vom Apennin. Und auch diese 25 sind wohl nur die Spitze des berühmten Eisberges, denn der Bankenstresstest von 2015 galt als wenig anspruchsvoll.

Sorgen bereiten die schwachen Aktienkurse der europäischen Kreditinstitute. So hat sich der Börsenwert der Deutschen Bank innerhalb eines Jahres mehr als halbiert. Aber auch viele andere Bankaktien sind im Sturzflug: Die nicht ausgestandene Eurokrise, Londons Brexit und ungeklärte rechtliche Streitigkeiten verunsichern die Investoren.

Darüber hinaus mangelt es vielen Geldhäusern an Eigenkapital. Das würde benötigt, um die neuen Regulierungsanforderungen durch die internationale verbindliche Richtlinie »Basel III« zu erfüllen und um etwa in neue Internetgeschäfte zu investieren. Die schwachen Börsenkurse erschweren aber die Ausgabe neuer Aktien, um frisches Eigenkapital zu gewinnen.

Viele Banken gelten als ertragsschwach. Und viele tun sich schwer mit dem historisch wohl einmaligen Umfeld aus niedrigsten Zinssätzen für Kredite, hohen Kosten für die politischen Regulierungen und den digitalen Herausforderungen der »Industrie 4.0«, die die Finanzbranche in besonderem Maße betreffen. Darüber hinaus gibt es in der Eurozone einen Berg an faulen Krediten, der einsturzgefährdet ist.

Doch die Lage ist von Bank zu Bank, von Land zu Land unterschiedlich. »Der deutsche Bankenmarkt ist von den Problemen in Italien nicht betroffen«, versichert Michael Kemmer, Chef des Privatbankenverbandes BdB. So liegt der Anteil an »Non Performing Loans« - Darlehen, bei denen die Rückzahlung ungewiss ist - in Deutschland bei gerade einmal 3,3 Prozent aller Kredite. In der EU sind es laut Weltbank rund 5,6 Prozent, in Italien 18 und in Griechenland 35 Prozent. Die Sorge geht um, dass eine Wirtschaftsrezession über Kreditausfälle die nächste Bankenkrise auslösen könnte.

Auch in Deutschlands Bankenlandschaft rumort es trotz aller Beteuerungen. So hat der Internationale Währungsfonds jüngst die globale Systemrelevanz der Deutschen Bank betont, deren Eigenkapital die Wirtschaftswissenschaftlerin Schnabel aber für »gering« hält. Als Krisenzeichen darf sogar der jüngste Tarifabschluss von ver.di gelten. Mitte Juli akzeptierte die Dienstleistungsgewerkschaft das schwache Angebot der privaten und öffentlichen Banken für die 230 000 Beschäftigten der Branche mit einer überlangen Laufzeit von 33 Monaten.

Damit reagiert ver.di auf den strukturellen Umbruch der Branche: Die Kunden erledigen ihre Bankgeschäfte immer häufiger im Internet, auf Kosten der Filialen. Die Deutsche Bank hat gerade eine Liste mit 188 Zweigstellen veröffentlicht, die geschlossen werden sollen. Selbst die regional verankerten Sparkassen und Genossenschaftsbanken dünnen ihr Filialnetz aus. Gleichzeitig dringen »Fintechs« - findige Jungunternehmen, die nützliche Programme (»Apps«) rund um Finanzdienstleistungen entwickeln - in traditionelle Bankgeschäftsfelder wie Autokredite ein. Und Vergleichsportale im Internet zwingen zu knappen Kalkulationen.

Die drohende Krise dürfte auf der Ratssitzung der EZB am Donnerstag ebenso eine Rolle spielen wie bei der Veröffentlichung des derzeit laufenden neuen Bankenstresstests am Monatsende. Hier zeigt sich die Schizophrenie der Zentralbank, die einerseits die Banken ausreichend mit Liquidität versorgen soll und ihnen andererseits streng auf die Finger zu blicken hat. »Die Festlegung auf die EZB als Bankenaufsichtsinstanz war falsch«, kritisiert Heinz-J. Bontrup, Sprecher der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik. »Wieso stellt man auf einmal in Italien marode Banken fest - wo war hier die Aufsicht der EZB?«

US-amerikanische Banken sind dagegen besser aufgestellt. Gewinne, Börsenkurse und Eigenkapital sind gedeihlich. Eine Folge des rigoroseren Vorgehens der Politik unter US-Präsident Barack Obama gegen allzu riskante Geschäfte der Geldgiganten. Entgegengesetzt haben es die EU-Staaten, auch aus nationalen Egoismen heraus, nach der Finanzkrise versäumt, hier aufzuräumen. Auch deshalb gibt es (zu) viele marode Banken. Pleiten, wie sie der Wirtschaftsweisen Schnabel vorschweben, könnten heilsam sein.

Für die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik ist eine Bankenabwicklung »mehr Wunsch als Wirklichkeit«. Die Entscheidungsmechanismen für eine Insolvenz seien zu kompliziert und es fehle eine über die EU hinausweisende internationale Kooperation. Die linken Ökonomen plädieren stattdessen für strengere Aufsichtsregeln und ein Trennbankensystem: »Die Macht der Banken ist endlich zu brechen«, so Bontrup.

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