In Türkei und Frankreich: Ausnahmen werden Alltag

Stephan Fischer über das Ende des trügerischen Normalzustands

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 1 Min.

Der Ausnahmezustand in Demokratien ist von seinem Wesen her gefährlich wie paradox: Sieht sich ein Staat, konkret deren Machthaber, in der Existenz akut bedroht, greift er auf judikativem oder exekutivem Wege die eigene Ordnung und Verfasstheit an, um sie zu schützen. Eine Ausweglosigkeit: Schritte, zur »Verteidigung« der Demokratie und des Rechtsstaats angewandt, sind die selben, die sie zerstören können.

In der Türkei stülpen Erdogan und seine regierende AKP gerade in atemberaubender Geschwindigkeit die Verfasstheit des Landes um, in Frankreich wird der Ausnahme- zum Dauerzustand. Ob nun ein Putsch oder Terror Staaten dazu treiben, rechtsstaatliche und demokratische Errungenschaften »zu ihrem Schutz« über Bord zu werfen - es sind auch Ergebnisse der alltäglichen Ausnahmezustände auf der Welt, die in Zeiten globaler Vernetzung auf Europa zurückstrahlen. Europa und die westliche Hemisphäre als »Inseln der Seligen« mit ihren leidlich funktionierenden Demokratien - lange haben sie globalen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten zugesehen, verdanken einem schrankenlosen Kapitalismus einen Teil ihres Wohlstands. Jetzt kommen die Folgen mit Macht zurück. Mit Mitteln des Rechtsstaats scheinen sich viele Staaten im Innern wie nach außen ihrer nicht mehr erwehren zu können - oder zu wollen. Ein historischer wie geografischer Ausnahmezustand, die Abwesenheit ebenjenes, endet gerade. Während trügerische Annahmen zur Normalität schwinden.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -