In Türkei und Frankreich: Ausnahmen werden Alltag
Stephan Fischer über das Ende des trügerischen Normalzustands
Der Ausnahmezustand in Demokratien ist von seinem Wesen her gefährlich wie paradox: Sieht sich ein Staat, konkret deren Machthaber, in der Existenz akut bedroht, greift er auf judikativem oder exekutivem Wege die eigene Ordnung und Verfasstheit an, um sie zu schützen. Eine Ausweglosigkeit: Schritte, zur »Verteidigung« der Demokratie und des Rechtsstaats angewandt, sind die selben, die sie zerstören können.
In der Türkei stülpen Erdogan und seine regierende AKP gerade in atemberaubender Geschwindigkeit die Verfasstheit des Landes um, in Frankreich wird der Ausnahme- zum Dauerzustand. Ob nun ein Putsch oder Terror Staaten dazu treiben, rechtsstaatliche und demokratische Errungenschaften »zu ihrem Schutz« über Bord zu werfen - es sind auch Ergebnisse der alltäglichen Ausnahmezustände auf der Welt, die in Zeiten globaler Vernetzung auf Europa zurückstrahlen. Europa und die westliche Hemisphäre als »Inseln der Seligen« mit ihren leidlich funktionierenden Demokratien - lange haben sie globalen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten zugesehen, verdanken einem schrankenlosen Kapitalismus einen Teil ihres Wohlstands. Jetzt kommen die Folgen mit Macht zurück. Mit Mitteln des Rechtsstaats scheinen sich viele Staaten im Innern wie nach außen ihrer nicht mehr erwehren zu können - oder zu wollen. Ein historischer wie geografischer Ausnahmezustand, die Abwesenheit ebenjenes, endet gerade. Während trügerische Annahmen zur Normalität schwinden.
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