Österreich will Erdogan-Fans loswerden
Außenminister legt gewalttätigen türkischen Anhängern Auswanderung nahe / Kritik auch von Präsidentschaftskandidat Van der Bellen
Nicht nur in Deutschland werden die Demonstrationen von Erdogan-Anhängern diskutiert. Offensichtlich hat die Regierung in Ankara versucht, auch die Auslandstürken in Österreich zu mobilisieren. Über soziale Netzwerke, die Präsident Recep Tayyip Erdogan eigentlich ein Dorn im Auge sind, waren noch in der Putschnacht vorige Woche Tausende Türken beziehungsweise türkischstämmige Österreicher zu lautstarken Kundgebungen für Erdogan aufgerufen worden.
Offiziell hatten türkische Behörden damit nichts zu tun. Brauchten sie auch gar nicht. Vereine wie die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) oder die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine (ATIB) wissen, was zu tun ist. Schließlich sitzen dort die Erdogan-Fans an den Schalthebeln. Der türkische Botschafter in Wien, Hasan Gögüs, ist Miglied im ATIB-Vorstand.
Und dieser preist nun die Wiener Türken-Aufmärsche. Dass manche der sehr organisiert wirkenden Spontandemonstranten mit Türkeiflaggen und Erdogan-Postern nicht nur »Allah-u-Akba« riefen, sondern auch Parolen wie »Wenn jemand den Kopf erhebt, dann schlag ihn ab« schrien und ein kurdisches Lokal demolierten, ist für den Botschafter nur Ausdruck von Demokratie.
Noch ehe sich die rechtspopulistische FPÖ auf das Thema stürzen konnte, zeigte die Bundesregierung den Erdogan-Fans Grenzen auf. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) nahm führende türkische Funktionäre ins Gebet und ermahnte sie, mehr für eine Deradikalisierung von Muslimen im Allgemeinen und türkischen Fundamentalisten im Besonderen zu tun. So sei es nicht zu akzeptieren, wenn in sozialen Medien gehetzt oder zu Bespitzelungen aufgerufen werde.
Etwas schärfer formuliert der konservative Außenminister Sebastian Kurz seinen Unmut. Der ÖVP-Politiker ließ nicht nur Botschafter Gögüs am Donnerstag ins Außenamt zitieren, sondern legte den Erdogan-Fans in Österreich unverblümt die Auswanderung nahe: »Wer sich in der türkischen Innenpolitik engagieren will, dem steht es frei, unser Land zu verlassen«, sagte er.
Und er stellte radikalen türkischstämmigen Menschen eine Rute ins Fenster: den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft. Eine solche droht allen Zuwanderern, die Österreicher geworden sind, aber danach wieder die türkische Staatsbürgerschaft angenommen haben. Wie viele der rund 300.000 Menschen mit türkischen Wurzeln in Österreich diese illegale Doppelstaatsbürgerschaft besitzen, ist mangels Kooperationsbereitschaft Ankaras nicht zu eruieren. Die Zahl dürfte allerdings beträchtlich sein, was sich auch am Aufwand der Regierungspartei AKP im letzten Wahlkampf ermessen lässt: Erdogan flog extra nach Wien, um die dort lebenden Türken auf seine Wahl einzuschwören. Das hatte nur Sinn, wenn es in Österreich viele Türken gibt, die auch in der alten Heimat wahlberechtigt, also türkische Staatsbürger sind.
Zwar wollen sich die Grünen nicht gleich der Ausreiseempfehlung des Außenministers anschließen, aber Verständnis für Erdogan-Propagandisten haben auch sie nicht. Der von ihnen unterstützte Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen wirft den Sympathisanten des türkischen Autokraten vor, in Österreich jene Rechte in Anspruch zu nehmen, die ihr Idol in der Türkei mit Füßen trete.
Leider drohen in der Auseinandersetzung die Stimmen der Vernunft in der türkischen Gemeinschaft unterzugehen. Die gibt es aber. So mahnte die Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (Alevi) ihre türkischstämmigen Mitglieder, »dass die Ereignisse in der Türkei nicht nach Österreich, unsere Heimat, übertragen werden«. Und die Türkische Kulturgemeinde (TKG) forderte Demonstranten zum Verzicht auf Fahnen und Kampfparolen auf. Denn das sei »ein Schuss ins eigene Knie«.
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