Kipping gegen Forderungen nach Wagenknecht-Rücktritt
Linken-Vorsitzende: »Wir wollen eine soziale Offensive für alle« / Rot-Rot-Grün im Bund eine spannende Idee / Linkspartei habe »ganz viel richtig gemacht«
Berlin. Die Debatte um umstrittene Äußerungen von Sahra Wagenknecht zur Flüchtlingspolitik prägt die Nachrichten über die Linkspartei. Nun hat die Linken-Vorsitzende Katja Kipping Forderungen nach einem Rücktritt der Bundestagsfraktionschefin zurückgewiesen. Solche Forderungen seien »vollkommen unangemessen«, sagte Kipping am Sonntag im ARD-Sommerinterview des »Berichts aus Berlin«. Wagenknecht habe einiges richtig gestellt. »Und ich hoffe sehr, dass sie sozusagen es nicht wiederholt, dass so ein Raum für Missverständnisse gegeben wird. Denn die Aufgabe, vor der wir alle stehen, ist nicht die Brutalisierung der Gesellschaft zu befeuern, indem man die Herkunft der Täter in den Mittelpunkt rückt.« Kipping ergänzte im Sozialen Netzwerk Facebook zu dem Thema: »Nicht die Herkunft der Täter ist ausschlaggebend, sondern ihre Verachtung des menschlichen Lebens. Diese Verachtung vor dem menschlichen Leben vereint Rassisten und Rassistinnen sowie islamistische Fundamentalisten und Fundamentalistinnen gleichermaßen.«
Hintergrund sind Äußerungen Wagenknechts nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Bombenattentat im bayerischen Ansbach. Sie hatte erklärt, »dass die Aufnahme und Integration einer sehr großen Zahl von Flüchtlingen und Zuwanderern zumindest mit erheblichen Problemen verbunden und sehr viel schwieriger ist, als Frau Merkel uns das im letzten Herbst mit ihrem «Wir schaffen das» einreden wollte«. Damit löste sie in der eigenen Partei massive Kritik aus. Der außenpolitische Sprecher der Fraktion, Jan van Aken, etwa sagte: »Wer Merkel von rechts kritisiert, kann nicht Vorsitzender einer Linksfraktion sein.«
Wagenknecht erklärte daraufhin in einer Mitteilung, es sei ihr weder darum gegangen, die Aufnahme von Flüchtlingen zu kritisieren, noch alle in Deutschland lebenden Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen. Vielmehr habe sie deutlich machen wollen, dass die Integration der Flüchtlinge eine der größten Herausforderungen der letzten Jahre sei, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dafür aber nicht die notwendigen Voraussetzungen schaffe. Kippings Co-Chef Bernd Riexinger sprach anschließend von einer Klarstellung.
»Wir wollen eine soziale Offensive für alle«, sagte Kipping in dem ARD-Interview weiter. Vor dem Hintergrund der Zahl der Asylsuchenden sei es nun die Herausforderung, mehr bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen und mehr Lehrer, Polizei und Sozialarbeiter zu gewinnen. Kipping sagte mit Blick auf die Bundestagswahl 2017, wenn es die Möglichkeit einer »sozial-ökologischen Gerechtigkeitswende« gebe, sei die Linke auf jeden Fall dabei. Dies heiße nicht, dass man bei kontroversen Themen klein bei gegenüber SPD und Grünen gebe - so solle es etwa beim Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr bleiben. Ein »weiter so« beim Säbelrasseln bringe weder das Land noch die Welt nach vorn, sagte Kipping. »An neuen Kriegsabenteuern werden wir uns nicht beteiligen.« Kipping nannte die Idee einer Mitte-Links-Regierung aber spannend. Die Lage der Linkspartei bewertete Kipping als stabil. Umfragewerte zeigten, dass man »ganz viel richtig gemacht« habe.
Wagenknechts Äußerungen werden auch Thema auf der Fraktionsklausur am 29. und 30. August in Hannover sein. »Wir müssen dort darüber reden. Daran führt kein Weg vorbei«, zitierte die »Mitteldeutsche Zeitung« ein führendes Fraktionsmitglied. Wagenknechts Ablösung sei nicht geplant. »Ich halte es allerdings nicht für ausgeschlossen, dass der Streit so eskaliert, dass es gar nicht anders geht.« Nicht zum ersten Mal verursachten Wagenknecht-Äußerungen zur Zuwanderung Gegenwind aus den eigenen Reihen. Nach den Kölner Übergriffen in der Silvesternacht hatte sie gesagt: »Wer Gastrecht missbraucht, der hat Gastrecht eben auch verwirkt.« Auch damals war nach deutlicher Kritik von einem Missverständnis die Rede. Agenturen/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.