Kuba braucht mehr erneuerbare Energien
Chemieingenieur Osvaldo Romero über Auswege aus dem fossilen Zeitalter und der Abhängigkeit von Venezuela
Kuba ist bislang weitgehend von Erdölexporten abhängig, etwa aus Venezuela. Nun sollen regenerative Energien ausgebaut werden. Wie weit ist diese Entwicklung gediehen?
Kuba hat sein Energiesystem auf Basis von fossilen Brennstoffen entwickelt, die das Land in eine hohe Abhängigkeit gebracht haben. Das ist ein permanentes Risiko, weil der Markt sensibel auf globale gesellschaftspolitische Krisen reagiert. Das hatte Kuba ja schon nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers in Europa erlebt. Damals wurden aber auch eigene Lösungen gefunden: In weniger als vier Jahren wurde damals eine Verbesserung der Energieversorgung aus eigenen Energiequellen erreicht. Dabei spielten erneuerbare Energien in ländlichen Gebieten eine wichtige Rolle.
Zum Beispiel?
So werden aus Zuckerrohrbagasse, also den faserigen Überresten der Zuckerfabrikation aus Zuckerrohr, rund 38 Kilowattstunden je verarbeiteter Tonne Zuckerrohrs erzeugt. Derzeit sind in Kuba 1810 kleine Biogasanlagen in Betrieb.
Der Chemieingenieur Osvaldo Romero ist seit den 1980er Jahren in der kubanischen Zuckerindustrie tätig. Er ist zudem Experte für Energieeffizienz und thermisches Design. Derzeit ist er Gastprofessor an der Technischen Universität Berlin. Über die Energiesituation auf der Karibikinsel sprach mit ihm für »nd« Harald Neuber.
Wie steht es um andere erneuerbare Energiequellen?
Kuba hat vier Windkraftparks mit rund zehn Megawattstunden Leistung. Das Ziel ist, 633 Megawatt Leistung durch Windkraft zu erreichen. Rund zehn Megawatt Stromleistung werden in Photovoltaik-Parks erzeugt, das Ziel liegt hier bei einer Leistung von 700 Megawatt. Derzeit sucht die Regierung Partner, um 19 Energieanlagen mit einer Gesamtleistung von 755 Megawatt aus Bagasse der Zuckerindustrie zu errichten. Geplant sind auch 56 Megawattleistung aus Wasserkraft und 27 Megawattleistung aus Holzbiomasse.
Wie weit will die Regierung beim Ausbau erneuerbarer Energien denn gehen?
Derzeit werden 4,3 Prozent des Energiebedarfes aus erneuerbaren Energien gewonnen. Bis zum Jahr 2030 soll diese Quote auf 24 Prozent gesteigert werden. Kuba hat mehr Potenzial. Die einzige Beschränkung ist die Finanzierung und die US-Blockade.
Photovoltaik schlägt nach aktuellen Statistiken mit nur drei Prozent zu Buche, in Deutschland sind es mit 5,8 Prozent fast doppelt so viel. Hätte Kuba nicht gerade hier mehr Kapazitäten?
Mit der Sonnestrahlung in Kuba kann man im Schnitt fünf Kilowattstunden pro Quadratmeter und Tag produzieren. Damit könnte man in Kuba auf einhundert Quadratkilometern rund 15 000 Gigawattstunden pro Jahr erzeugen. Man kann Energie aber nur tagsüber erzeugen, und wenn es wolkig ist, arbeiten die Anlagen wenig effizient. Zudem braucht man Batterieanlagen, um die erzeugte Energie speichern zu können.
Kuba ist vor allem durch die Ausstattung von Schulen mit Photovoltaik bekannt geworden. Sind die Schulen damit autark?
Ohne Zweifel. Die Elektrifizierung von Schulen und Gesundheitseinrichtungen mit Photovoltaikpanelen, darunter auch ein ganzes Krankenhaus, wurde seit Anfang der 2000er Jahre in Kuba vorangetrieben. Die Idee war, dass alle Schüler in Kuba mit Computern arbeiten und Bildungskanäle empfangen können. So wurden 2300 Schulen mit Solarphotovoltaik ausgestattet. Ebenso 400 Gesundheitseinrichtungen.
Fidel Castro hat zu seiner aktiven Zeit mehrere Reden über Schnellkochtöpfe gehalten. Hierzulande wurde das als Kuriosum dargestellt, tatsächlich ging es aber um die Frage der Energieeffizienz, oder?
Das war in den Jahren 2002 bis 2004. Damals wurden neun Millionen Sparlampen an die Bevölkerung ausgegeben, um alte, energieintensive Glühlampen zu ersetzen. Die eingesparte Energie entsprach der Produktion eines ganzen Kraftwerks. Gleichzeitig wurden alte und nicht effiziente Ventilatoren, Kühlschränken, Klimaanlagen mithilfe staatlicher Kleinkredite durch moderne und energieeffiziente Geräte ersetzt. In diesem Zusammenhang wurden auch die Schnellkochtöpfe ausgegeben. Diese Initiative wurde als Energierevolution bekannt und hatte erhebliche Auswirkungen auf das kubanische Energiesystem. Schließlich muss eine nachhaltige Energieentwicklung mit weniger Ressourcen auskommen. Zugleich müssen die Emissionen reduziert werden, etwa durch den Einsatz erneuerbarer Energien. Und es muss eine neue Verbraucherkultur entwickelt werden, damit weniger Energie pro Kopf verbraucht wird.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist zuletzt mit gut 60 Unternehmern nach Kuba gereist. Kann deutsche Technik zur nachhaltigen Entwicklung Kubas beitragen?
Deutschland verfügt über ein erhebliches Know-how bei erneuerbaren Energien. Ich bin sicher, dass die deutschen Technologien geeignet wären, um erneuerbare Energien in Kuba nachhaltig zu fördern. Man braucht aber noch viel mehr konkrete politische Unterstützung und eine konkretere Zusammenarbeit.
Welche Auswirkung hat die USA-Blockade gegen Kuba?
Das USA-Embargo hat die ganze Entwicklungspolitik Kubas während mehr als 55 Jahren beeinträchtigt. Zugang zu Technologien und zur Finanzierung wird eingeschränkt. Die Forschungsarbeit leidet an einem Mangel an Technologie und fehlender Projektfinanzierungen. Das Land kann nicht nur keine US-Technologie importieren, sondern auch nur mit großen Schwierigkeiten eigene Technologien entwickeln. Der Import aus anderen Regionen der Welt macht alles viel teurer.
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