Ausbeuten auf hohem Niveau
Gebühren von Finanzinstitutionen für Geldtransfers aus der afrikanischen Diaspora kosten Afrika Milliarden
Soi lebt seit einigen Jahren in Prag. Seiner Schwester in Kenia schickt der 28-Jährige jeden Monat die Miete. Manchmal gehe es auch um eine Arztrechnung oder akute Beträge. »Manchmal ging es nicht anderes. Aber wenn ich zehn Euro über Western Union versende, ist das völlig sinnfrei, weil ich fast genauso viel Gebühren draufzahlen muss.«
Um die 80 Prozent aller Überweisungen werden in Entwicklungsländer getätigt, so die Weltbank. Für 2016 rechnet sie mit 600 Milliarden Dollar weltweit. Das ist dreimal so viel wie die Entwicklungshilfe der Geberstaaten beträgt. Nach dem Migration and Remittance Factbook gingen 2013 über 47 Milliarden Dollar in afrikanische Länder. Die Überweisungen der Diaspora nach Hause sind für den Kontinent existenziell. In Ländern wie Liberia oder Gambia machen sie ein Drittel des Bruttoinlandprodukts aus. Ade Damary, Vorsitzender der African Foundation for Development (Afford), sagt, dass die Diaspora einen enormen Beitrag in Richtung der bis 2030 zu erreichenden Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) beisteuert. Einmal, weil sie den Menschen daheim Medikamente oder die Schulgebühren bezahlt. Andererseits, weil sie überhaupt erst einmal Zugang zu Kapital ermöglicht. Denn das ist oft das Hauptproblem, da es in vielen Ländern kein gut funktionierendes Finanzsystem gibt. Damit fördert sie mittelständische Unternehmen und also die Wirtschaft.
Im Durchschnitt müssen Afrikaner*innen knapp doppelt so viel bezahlen, wie der Rest der Welt. Dabei schwanken die Gebühren von Land zu Land und können bis zu 90 Prozent hoch sein. Die Weltbank ist mittlerweile darauf aufmerksam geworden und hat ausgerechnet, dass Afrikaner*innen bis zu 16 Milliarden Dollar pro Jahr sparen könnten, wenn die Überweisungsgebühren um nur fünf Prozent günstiger wären. Es gebe keine logische Erklärung für das Verhalten der Finanzinstitutionen, so das Overseas Development Institute. Der Grund für die hohen Gebühren scheinen einzig die Monopolstellung von Western Union und Moneygram auf dem Kontinent sowie das Fehlen eines funktionierenden lokalen Finanzsektors zu sein. Damit sind Afrikaner*innen eine gute Kundschaft: Es sind viele, der Großteil der Bevölkerung hat kein Bankkonto, und sie sind von den Überweisungen abhängig.
Neben Internetplattformen, wie tawipay.com, die die preiswertesten Varianten, Geld zu überweisen filtern, gibt es seit einigen Jahren eine ganz neue Entwicklung auf dem Finanzmarkt: Mobile Money. In Ländern, wo es keinen Zugang zum Finanzsystem gibt, können sich die Menschen nun über den Mobilfunkanbieter einen Mobil Money Account einrichten. Dieser fungiert wie ein Bankkonto. Nach GSMA Association, einer Vereinigung von etwa 800 Mobilfunkanbietern weltweit, der Menschen aus dem globalen Süden einen sicheren Zugang zum Finanzsystem ermöglichen will, gibt es mittlerweile über 100 Millionen Mobile Money Account Kunden. Über 60 Millionen davon in Afrika. Tendenz rasant steigend. Auch Sois Familie profitiert von der neuen Methode. Er selbst hat mittlerweile ein Bankkonto in Tschechien. Seine Schwester in Kenia hat ein Mobile Money Account von Mpesa. Soi kann nun von seinem Bankkonto aus online Geld auf das Mobilfunk-Konto seiner Schwester überweisen. Mit der Transaktionsnummer kann sie wiederum im kleinen Shop des Telefonanbieters bei sich in der Nähe das Geld abholen. Bei Western Union musste Soi 540 Kronen an Gebühren bezahlen. Nun bezahlt er nur noch 26 Kronen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.