Jeder zweite CSU-Abgeordete kassiert Nebeneinkünfte

Abgeordnetenwatch: Bundestagspolitiker kassierten in den letzten drei Jahren mindestens 18 Millionen Euro

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Normalerweise dürfte der Tagesablauf eines durchschnittlichen Bundestagsabgeordneten dessen Terminplan ausfüllen. Gespräche im Wahlkreis, Diskussionen in Fachauschüssen, der Fraktion und schließlich noch die monatliche Plenarwoche in Berlin – unterm Strich dürfte da kaum Zeit für etwaige Nebenbeschäftigungen bleiben. Nicht grundlos beträgt die monatliche Diät (ohne Zulagen) eines Abgeordneten 9.082 Euro. Die Summe soll sicherstellen, dass der Parlamentarier sich in der Theorie völlig auf seine Arbeit konzentrieren kann.

Doch in der Praxis scheinen viele immer noch genug Zeit für ein Zubrot zu finden. Wie die Plattform Abgeordnetenwatch.de am Dienstag berichtete, ging oder geht etwa jeder Vierte der 630 Berliner Parlamentarier in der laufenden Legislaturperiode einer Nebenbeschäftigung nach, für die der Mandatsträger mindestens 1000 Euro kassiert. In der Gesamtsumme verdienten alle Parlamentarier in den letzten drei Jahren durch Nebeneinkünfte mindestens 18 Millionen Euro, so Abgeordnetenwatch.

Dabei gehen die Experten davon aus, dass dies noch längst nicht den tatsächlichen Einkünften entspricht. Aufgrund der intransparenten Regeln könnte die Summe noch um einiges höher liegen. Abgeordnetenwatch.de geht nach seinen Schätzungen von bis zu 33,6 Millionen Euro aus, wobei es sich dabei noch um eine »eher konservative Berechnung« handeln soll. Problematisch ist der tatsächliche Nachweis der realen Einkünfte deshalb, da die Abgeordneteneinkünfte lediglich in zehn Stufen an die Bundestagsverwaltung gemeldet werden müssen. So umfasst Stufe drei etwa einen Einkunftsspanne von 7.000 bis 15.000 Euro jährlich, Stufe neun sogar einen Rahmen von 150.000 bis 250.000 Euro. Sechs Bundestagsabgeordnete geben auf der Parlamentshomepage Einkünfte der Höchststufe 10 und damit von sogar mehr als 250.000 Euro an. Ein riesiger Spielraum, den die Abgeordneten nicht näher beleuchten müssen.

Besonders viel Zeit neben der parlamentarischen Arbeit scheinen die gewälten Vertreter aus den Reihen der CSU zu haben. Bei den Christsozialen gibt jeder zweite Abgeordnete Nebeneinkünfte an. In den Reihen der CDU sind es 21 Prozent, bei den Grünen 17,5 Prozent und bei der LINKEN immerhin noch 14 Prozent, die sich ein Zubrot verdienen.

Für einzelne Abgeordnete kam so innerhalb der letzten drei Jahre eine sechstellige Summe zusammen. So kassierte der Abgeordnete Steffen Harbart (CDU) laut Abgeordnetenwatch seit der Bundestagswahl mindestens 1,025 Millionen Euro als Anwalt und Vorstandsmitglied der Mannheimer Kanzlei »SZA Schilling, Zutt & Anschütz«. Ebenfalls weit vorne mit dabei ist die CSU-Politikerin Dagmar Wöhrl, die dank der Tätigkeit in mehreren Aufsichträten (unter anderem Nürnberger Versicherungsgruppe) mindestens 623.000 »nebenbei« verdiente. Auf Platz sieben folgte mit dem früheren Finanzminister Peer Steinbrück der erste SPD-Politiker. Der ehemalige Kanzlerkandidat kommt dank Buchverträgen und bezahlter Vorträge auf mindestens 590.000 Euro. Übrigens ist es bisher besonders dem Widerstand der Unionsfraktion zu verdanken, dass die Abgeordneten ihre Nebeneinkünfte bisher nicht in Euro und Cent angeben müssen. Zufall ist das wohl kaum: Unter den ersten 13 Top-Verdienern finden sich zwölf Vertreter aus den Reihen von CDU/CSU.

Erst auf Platz 43 findet sich mit Gregor Gysi der erste LINKEN-Politiker. Der frühere Fraktionschef hat seit der letzten Bundestagswahl als Redner, Autor und für Beratungen in seiner Funktion als Anwalt mindestens 97.000 Euro verdient. Innerhalb der Linksfraktion folgt der Abgeordnete Diether Dehm mit Mindesteinnahmen von 45.000 Euro. Auf das gleiche Mindestsalär kommt der Grünen-Politiker Peter Meiwald für seinen Aufsichtsratsposten bei einem Oldenburger Energieunternehmen.

Abgeordnetenwatch warnt allerdings in einigen Fälle vor Fehlschlüssen, die sich aus der Statistik ergeben. Nebeneinkünfte sind keinesfalls mit Gewinn gleichzusetzen, da freiberuflich arbeitende Parlamentarier, darunter etwa Landwirte und Anwälte, ihre Umsatzzahlen angeben. Die Experten weisen darauf hin, dass von dem Geld im Einzelfall auch Maschinen und Mitarbeiter bezahlt werden müssen. Insofern relativieren sich die Einnahmen des CSU-Abgeordneten und Spitzenverdieners Philipp Graf Lerchenfeld von etwa 1,7 Millionen Euro. Wie der Politiker gegenüber »Spiegel Online« erklärt, beschäftige er einen Betriebsleiter sowie drei weitere ständige Mitarbeiter auf seinem Hof. Letztlich wirken sich diese Kosten viel stärker aus als etwa im Vergleich dazu ein Vorstandsposten in einem Unternehmen.

In parlamentarischen Gesetzgebung können sich durch die Nebeneinkünfte Interessenskonflikte ergeben, warnt der Watchblog. Im Fall der CSU-Politikerin Wöhrl ließe sich von einer möglichen Befangenheit ausgehen, wenn der Bundestag etwa über den Verbraucherschutz in Versicherungsfragen abstimmt.

Abgeordnetenwatch.de fordert deshalb die komplette Offenlegung aller Nebeneinkünfte. Als »vorbildlich« bezeichnet die Initiative die Gesetzgebung in Großbritannien. Mitglieder des Unterhauses müssen nicht nur exakte Angaben zur Herkunft ihrer Einkünfte machen, sondern auch deren genaue Höhe sowie den zeitlichen Aufwand dafür benennen.

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