Panzer bauen mit Erdogan
Die Türkei will High-Tech-Rüstung bauen, Rheinmetall ist in einem neuen Joint Venture mit von der Partie
Panzer sind gefährlich - und so schwach! In Hochglanz-Propaganda-Broschüren zeigt die türkische Regierung, wie das Volk sich den meuternden Truppen entgegengestellt hat, wie sich Menschen vor die Ketten legten und Soldaten aus den Turmluken zerrten. Recep Tayyip Erdogan, der Präsident der Türkei, ist stolz und lobt den Heldenmut. Und er lässt mehr Panzer bauen. Dazu hat sich dieser Tage in aller Stille ein Joint Venture- Unternehmen gebildet. Beteiligt sind der türkische BMC-Konzern, der normalerweise Lastwagen und Busse herstellt, die Firma Etika Strategi aus Malaysia und der deutsche Rüstungsproduzent Rheinmetall. Geleitet wird das Unternehmen aus der Türkei.
Konzentration im Rüstungsbereich ist an der Tagesordnung. Deutsche Firmen mischen mit, schon weil sich so hiesige Exportbeschränkungen umgehen lassen. So hat sich Krauss-Maffei Wegmann mit dem französischen Rüstungsriesen Nexter zusammengeschlossen. Konkurrent und Partner Rheinmetall hatte sich schon vor Jahresfrist in der Türkei umgesehen und eine Tochter gegründet. Bislang recht erfolglos, wie es aussah. Doch nun scheint der Durchbruch gelungen. Egal ob Rad oder Kette, man will Panzerfahrzeuge bis nach Asien verkaufen. Nicht heute, nicht morgen, dann aber mit Gewinn.
Der Branchendienst »Defense News«, der den Deal öffentlich gemacht hat, behauptet, das türkisch-deutsch-malaysische Gemeinschaftsunternehmen wolle sich zunächst an der Serienproduktion des künftigen türkischen Panzers »Altay« beteiligen. Er ist eine Weiterentwicklung des südkoreanischen K2, der von Hyundai entwickelt wurde. Das türkische Programm umfasst die Produktion von 1000 Panzern. Die erste Tranche beinhaltet 250 Stück. Doch es gibt ein kleines Problem. Die ersten vier Prototypen des »Altay«, die derzeit getestet werden, sind beim türkischen Rüstungsunternehmen Otokar gebaut worden. Für umgerechnet 500 Millionen US-Dollar.
Otokar ist der Hauptrivale von BMC. Dennoch macht sich das neue Konsortium Hoffnungen, ein großes Stück vom Profit einzustreichen. Erstens stammt die »Altay«-Hauptbewaffnung - eine auch im deutschen Leopard eingebaute 120 Millimeter- Glattrohrkanone - von Rheinmetall. Beim Antrieb stützt man sich auf einen Dieselmotor der MTU Friedrichshafen/Rolls-Royce-Gruppe.
Das alleine reicht vermutlich nicht aus, um den Deal ganz an Land zu ziehen. Als Joker hinzu kommt Ethem Sancak, der Eigentümer des BMC-Konzerns. Der mischt in vielen Bereichen mit, übernahm eine vom Staat beschlagnahmte Zeitung, ist ein erfolgreicher Unternehmer in der pharmazeutischen Industrie und - das ist entscheidend - ein guter Freund von Staatspräsident Erdogan.
Wiederholt versprach Sancak, aus BMC einen der größten Rüstungshersteller der Türkei zu machen. Anfang dieses Jahr erteilte Ankara ihm die Erlaubnis, über 200 Hektar Land zu erwerben. Es wird erwartet, dass BMC seinen Sitz von Izmir nach Sakarya verlagert.
Wichtig ist auch, dass sich die Türkei auf die Rüstungslieferanten aus Deutschland in jeder Weise verlassen kann. Die Bundeswehr übergab dem NATO-Partner im Laufe der Jahre rund 700 »Leopard«-Panzer verschiedener Baureihen. Auch die türkische Luftwaffe profitierte von der Verkleinerung und Neuausrüstung der Bundeswehr. Vom ausgemusterten NVA-Material profitierte Ankara gleichfalls. Zudem werden zahlreiche Handfeuerwaffen und Munitionssorten in türkischer Lizenz gefertigt.
Doch Ankara will nun nicht mehr nur abgelegte Ware. Die Vereinigung der türkischen Verteidigungs- und Luftfahrtproduzenten SASAD zog jüngst eine höchst positive Bilanz. Sie analysierte 176 einheimische Rüstungsunternehmen, die rund 90 Prozent der High-Tech-Firmen des Landes ausmachen. Sie steigerten ihre Produktion zu Lasten der Importe. 2013 hatten die einen Wert von 1,4 Milliarden US-Dollar. 2015 fielen die Importe auf 1,07 Milliarden US-Dollar. Die Tendenz hält an. Rheinmetall hat verstanden: EU-Beitritt hin oder her - wer weiter mitmischen will, muss sich in der Türkei direkt engagieren.
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