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Der US-chinesische Zollkrieg eskaliert
China hat Trumps Zölle gekontert – und noch weitere Druckmittel in petto
Wenn Donald Trump wirklich gedacht hat, die Chinesen würden seine Zölle unbeantwortet lassen, dann hat er den Ein-Parteien-Staat offensichtlich nicht verstanden. Längst handelt die kommunistische Parteiführung frei nach dem biblischen Prinzip: Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Am Mittwochabend leitete das Handelsministerium Peking die nächste Eskalationsstufe ein: Die zunächst auf 34 Prozent angesetzten Sonderzölle auf alle US-Produkte wurden um weitere 50 Prozent erhöht. Die USA zogen daraufhin nach und erhöhten ihre China-Zölle auf insgesamt 145 Prozent – worauf Peking am Freitag mit einer Zollanhebung auf 125 Prozent reagierte. In petto hat China noch eine Klage gegen die US-Zölle bei der Welthandelsorganisation (WTO).
»Wir haben dies genau untersucht und sind auch darauf vorbereitet, mit Unsicherheiten umzugehen«, sagte Premier Li Qiang am Mittwoch: »Die Entwicklung unseres Landes ist immer durch die Überwindung von Schwierigkeiten und Herausforderungen vorwärtsgekommen«. Tatsächlich befindet sich Peking zwar in einer misslichen Lage, hat aber auch nicht mehr viel zu verlieren.
Angesichts der geringen Gewinnmargen der meisten chinesischen Exportunternehmen wäre der bilaterale Handel auch ohne die letzte Zollrunde zum Erliegen gekommen.
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Angesichts der geringen Gewinnmargen, mit denen die meisten chinesischen Exportunternehmen hantieren, wäre der bilaterale Handel wohl auch ohne die letzte Zollrunde weitgehend zum Erliegen gekommen. Außerdem hat US-Präsident Trump bereits Maßnahmen ergriffen, damit die Warenströme nicht über Drittländer umgeleitet werden können: Auch diese Staaten, allen voran Vietnam, wurden mit hohen Zöllen belegt.
Mit seinem Zoll-Regime geht Donald Trump also ausgerechnet gegen jenen Teil der chinesischen Volkswirtschaft vor, der nach wie vor blendend lief: Im letzten Jahr generierte China ein Drittel seines Wachstums über Exporte.
Mit einer regelrechten Charme-Offensive versucht Peking nun die Europäer zu umgarnen, um ihre hochsubventionierten Produkte absetzen zu können. Doch die EU wäre gut darin beraten, sich den chinesischen Überkapazitäten zumindest teilweise zu verschließen. Andernfalls würden mehrere Kernindustrien in Windeseile durch die chinesische Konkurrenz dezimiert werden. Deutschland träfe dies besonders hart.
Die 1,4 Milliarden Chinesen stehen also vor einer schweren Zukunft. »Xi Jinping ist jedoch der Ansicht, dass China in diesem Wettbewerb einen strategischen Vorteil hat«, argumentiert der ehemalige Immobilienentwickler Desmond Shum, der mittlerweile als scharfer Peking-Kritiker im britischen Exil lebt: »Aus seiner Sicht fehlt es den Vereinigten Staaten, die durch ihr demokratisches System eingeschränkt sind, an politischem Willen und Durchhaltevermögen, um ihren Bürgern anhaltende wirtschaftliche Härten aufzuerlegen.«
Die Chinesen hingegen sind sehr gut darin erprobt, den Gürtel enger zu schnallen und die Widrigkeiten des Lebens fatalistisch hinzunehmen. Bewiesen hat dies zuletzt die rigide »Null-Covid«-Politik, während der gegen Ende der Pandemie Millionenstädte über Monate hinweg vollständig abgeriegelt wurden. Erst nach enormen wirtschaftlichen Schäden regte sich damals zaghafter Widerstand – natürlich auch, weil Peking über einen der umfassendsten Überwachungsstaaten der Welt verfügt. Diesmal jedoch wurde die missliche Lage nicht durch die eigene Parteiführung eingebrockt, sondern vom Erzfeind USA. Das schweißt zusammen.
China selbst kann die Eskalationsschraube ebenfalls noch um mehrere Runden weiterdrehen. Bei seltenen Erden etwa, die zu einem Großteil in der Volksrepublik geschürft und zu einem noch größeren Teil dort weiterverarbeitet werden, hätte Peking noch Spielraum für verschärfte Exportbeschränkungen.
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Weitere Maßnahmen, die von der Parteiführung angeblich erwogen werden, hat die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua bereits unter Berufung auf Regierungskreise in den Raum gestellt: ein Verbot von Hollywood-Filmen auf dem chinesischen Markt, der bekanntlich der größte weltweit ist. Oder ein Kooperationsstopp im Bereich Fentanyl; also jener Droge, die um ein Vielfaches potenter ist als Heroin – und jährlich knapp 100 000 Menschenleben in den USA fordert. Ein erheblicher Teil der chemischen Vorprodukte für Fentanyl stammen aus chinesischen Laboren.
2024 hatte die chinesische Staatsführung den USA zugesagt, entschlossener gegen den illegalen Fetanyl-Handel vorzugehen. An dieses Versprechen wird man sich nun möglicherweise nicht mehr gebunden fühlen. Der Handelskrieg würde damit noch eine weitere Dimension bekommen – gewissermaßen als Opiumkrieg 2.0 unter umgekehrten Vorzeichen.
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