Besuch bei der Ex

Arte begibt sich mit Campino von den Toten Hosen auf die Spuren des Punk in London

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 3 Min.

Campino mag die »Sex Pistols« und die britische Monarchin »Der Angriff der ›Pistols‹ auf die Queen lag mir damals schwer im Magen. Als kleiner Junge stand ich alleine mit einer Fahne schwenkend vor dem abseits gelegenen Haus meiner Tante in Dartmouth als die ›Britannia‹ dort auslief. Die Queen hat mir lässig zurückgewinkt. Solch ein Erlebnis verbindet ein Leben lang.«

Heute feiert Elizabeth II den Punk, 1977 hatten sie die Pistols mit »God Save the Queen« zum silbernen Thronjubiläum provoziert. Als die Band sich wenige Monate später auflöste, hatte Campino seine Karriere mit den »Toten Hosen« noch vor sich. Diese hat vor allem »The Clash« geprägt. »Sie haben uns gezeigt, dass Musik mehr ist als ein schönes Liedchen«, sagt Campino

Für die Arte-Dokumentation »London›s Burning: Campino auf den Spuren des Punk« schließt sich Andreas Frege, so Campinos bürgerlicher Name, einer Touristentour zu den einstigen Szeneclubs an. »London war in Sachen Musik mein Mekka und Paradies, heute ist die Stadt für mich wie eine Ex-Freundin. Man war einst ungeheuer eng, heute geht man vorsichtig und höflich miteinander um. Aber man hat sich nicht mehr so viel zu sagen.«

Das Lebensgefühl der »Bürgerschrecks und Chaoten« illustriert Regisseur Hannes Rossacher mit etlichen Dokumenten. Die Masturbationsanleitung Nina Hagens erschüttert Österreich. Erstmals in der Musikgeschichte rockten reine Frauenbands die Säle. Campino schwärmt noch heute von Kleenex, Siouxsie von den Banshees, Poly Styrene von X-Ray Spex und Fay Fife von The Rezillos. Und fügt hinzu: »Groupies waren in der Punkszene verpönt. Man hat auf Augenhöhe rumgevögelt.«

Campino wurde als Schüler im Ruhrgebiet vom Slogan »No Future« von den rauen Tönen und den schrillen Performances angesteckt, die die gesamte Kulturszene revolutionierten. »Werbung wurde frecher, Comedy extremer und das Recht auf Selbstbestimmung wurde zu einem Bestandteil unserer Gesellschaft.«

Für den Film traf er auch die einstigen Punk-Ikonen Viv Albertine und Bob Geldof. Der politisch engagierte Aktivist Geldorf klagt über das Desinteresse heutiger Teenager am Tagesgeschehen. »Wir müssen uns da keine Sorgen machen, die Jugend von heute artikuliert sich politisch stark«, widerspricht Campino. » Das läuft nur anders als früher. Es geht vielleicht weniger um politische Grundrichtungen als um ausgewählte Streitthemen, bei denen sich die Menschen leidenschaftlich einbringen. Musik als Protestmittel hat da einen anderen Stellenwert als früher«.

Die Alternativkultur blühte auch in Berlin-Kreuzberg ebenso wie im Untergrund der DDR. 1984 trat Campino erstmals in einer Kirche in Ost-Berlin auf. »Ein unglaubliches Erlebnis! Die Kirche war für den Untergrund im Osten, vor allen Dingen in Polen und der DDR, ungeheuer wichtig, ihr damaliges Engagement gehörte zu den Sternstunden ihrer Geschichte.«

Der Film konzentriert sich jedoch auf die Generation des Punks in den späten 1970ern. »In der Anfangszeit war alles möglich, Punk war Dadaismus pur. Jedes Konzert war voller Überraschungen. Doch man kann eine solche Stimmung nicht konservieren. Den Künstlern, die ursprünglich mitgemacht haben, wurde es schnell zu eintönig.« Und er fügt hinzu: »Bald waren viele der Arschlöcher bei den Konzerten, gegen die wir gesungen haben. Sie kopierten sogar unser Aussehen. Andere Protagonisten wollten plötzlich nur noch Party machen und nichts mit Politik zu tun haben. Deshalb war die erste Welle der Punkgeneration 1984 am Ende.«

Arte, 13.8., 22.50 Uhr

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