Can Dündar tritt als Chefredakteur der »Cumhuriyet« zurück

Journalist wirft der türkischen Regierung wegen verhängtem Ausnahmezustand nach Putschversuch »Gesetzlosigkeit« vor

  • Lesedauer: 2 Min.

Istanbul. Der in der Türkei wegen Geheimnisverrats verurteilte Journalist Can Dündar legt seinen Posten als Chefredakteur der oppositionellen türkischen Tageszeitung »Cumhuriyet« nieder. In einer am Montag veröffentlichen Kolumne kündigte Dündar zudem an, er werde sich nach seiner Verurteilung zu knapp sechs Jahren Haft vorerst nicht der türkischen Justiz stellen. Aufgrund des nach dem gescheiterten Putschversuch verhängten Ausnahmezustands herrsche in seinem Heimatland »Gesetzlosigkeit«, schrieb Dündar.

Der Journalist war im Mai nach der Veröffentlichung eines Artikels über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an Islamisten in Syrien zu fünf Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt worden. Bis zu seinem Berufungsverfahren bleibt er aber auf freiem Fuß. Er wird derzeit in Deutschland vermutet.

Die Regierung missbrauche den Ausnahmezustand, um die Justiz zu kontrollieren, klagte Dündar. »Einer solchen Justiz zu trauen wäre, als ob man seinen Kopf unter eine Guillotine legt.« Da er keinen fairen Prozess erwarten könne, werde er sich der Justiz entziehen, »zumindest solange der Ausnahmezustand nicht aufgehoben wird«.

Die türkische Regierung geht derzeit mit großer Härte gegen mutmaßliche Beteiligte des gescheiterten Umsturzversuches vor. Am Montag durchsuchte die Polizei laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Dogan drei Gerichte in Istanbul. Bei den Razzien im Justizpalast Caglayan und zwei Gerichtsgebäuden in den Bezirken Gaziosmanpasa und Bakirköy sollten demnach Haftbefehle gegen 173 Staatsanwälte und andere Justizangestellte vollstreckt werden.

Den Beschuldigten werden Verbindungen zu dem islamischen Prediger Fethullah Gülen zur Last gelegt. Die türkische Regierung macht den im US-Exil lebenden Prediger für den Putschversuch vom 15. Juli verantwortlich. Wie viele Verdächtige bei dem Polizeieinsatz am Montag verhaftet wurden, blieb zunächst unklar.

Seit dem Putschversuch wurden in der Türkei nach offiziellen Angaben mehr als 35.000 Menschen festgenommen, vor allem Militärangehörige, Richter, Staatsanwälte, Lehrer, Dozenten und Journalisten. Etwa ein Drittel von ihnen wurde inzwischen wieder freigelassen. AFP/nd

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