Texaner droht Todesstrafe wegen der Tat eines Bekannten

50 Geistliche aus den USA formulierten Gnadengesuch für 43-jährigen / Umstrittenes Gesetz »Law of Parties« fasst Komplizenschaft extrem weit

  • Sébastien Blanc
  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Als vor mehr als 20 Jahren ein Raubüberfall in den USA aus dem Ruder lief und ein Mensch getötet wurde, saß Jeff Wood in dem Auto des Täters vor dem Laden – dafür soll der Mann mit der Intelligenz eines Kindes kommende Woche hingerichtet werden. Möglich ist das aufgrund eines speziellen Gesetzes im US-Bundesstaat Texas, das den Begriff der Komplizenschaft besonders weit fasst.

Woods Unterstützer versuchen unter anderem mit einem Gnadengesuch an den Gouverneur von Texas, die Hinrichtung noch in letzter Minute zu verhindern. Wood war 22 Jahre alt, als er mit Daniel Reneau zu einer Tankstelle in Kerrville fuhr, die sein Bekannter ausrauben wollte. Dass Reneau eine Waffe hatte, wusste Wood laut seiner Anwältin Kate Black nicht. Wood ließ den Mann, den er seit knapp zwei Monaten kannte, in den Verkaufsraum gehen und wartete im Wagen.

Als Wood drinnen einen Schuss im Laden hörte, ging er hinein um nachzusehen, was passiert war. Nach Angaben seiner Unterstützer (www.savejeffwood.com/case-summary) fand er dort den toten Angestellten und wurde von Reneau mit vorgehaltener Waffe gezwungen, das Überwachungsmaterial zu entwenden und anschließend den Fluchtwagen zu fahren. Aufgrund von Zeugenaussagen wurden die beiden nach einem Tag festgenommen und später zum Tode verurteilt. Reneau wurde bereits am 13. Juni 2002 hingerichtet.

Das selbe Urteil für Wood wurde möglich, weil in Texas, dem Bundesstaat mit den meisten Hinrichtungen in den USA, das sogenannte »Law of Parties« existiert. Demnach kann jeder zum Tode verurteilt werden, der in einen Kriminalfall mit Todesfolge verwickelt ist - unabhängig vom Grad der Beteiligung oder seinen Absichten. »Ich habe noch nie eine Exekution in den USA mit einem derart niedrigen Grad an Schuld gesehen«, sagt Woods Anwältin Black. Der Fall ihres mittlerweile 43-jährigen Mandanten sei ein Musterbeispiel für die Auswirkungen dieses problematischen Gesetzes. Sie sei zuversichtlich, dass das Oberste Berufungsgericht von Texas, an das sie sich gewandt habe, dies »sehr ernst« nehmen werde.

Rund 50 Geistliche aus den USA richteten zudem ein Gnadengesuch an den texanischen Gouverneur Greg Abbott, damit er die für den kommenden Mittwoch geplante Hinrichtung mit einer Giftspritze stoppt. Auch die einzige Tochter von Wood appelliert an die Behörden, die Exekution auszusetzen. »Er hat niemanden getötet«, schreibt Paige Wood auf der Website savejeffwood.com. »Er ist ein freundlicher, sanftmütiger Mann, und ich brauche ihn. Wenn Sie ihn töten, töten Sie auch mich.« AFP/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.