Nix mit Wohlfühl-Projekt

Geschichte oder Umweltschutz - was hat Vorrang im Streit um Thüringens Grünes Band?

  • Sebastian Haak, Behrungen
  • Lesedauer: 4 Min.

Es konnte nicht anders sein: An dem Tag, als Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund den Abenteurer Mario Goldstein traf, um mit ihm gemeinsam entlang des Grünen Bandes zu wandern, beteuerte die Grüne erneut, wie wichtig es sei, »die Naturschätze am geschichtsträchtigen Grünen Band« zu erhalten. »Nirgendwo sonst sind Natur und Geschichte so eng miteinander verbunden wie am ehemaligen innerdeutschen Grenzstreifen«, sagte Siegesmund am Freitag in der Nähe von Behrungen, weit im Südwesten des Landes gelegen. Das musste so sein, weil Siegesmund solche Worte schon gewählt hatte, als sie ihren Plan vorstellte, aus dem Thüringer Teil des Grünen Bandes ein sogenanntes »Nationales Naturmonument« zu machen; ein Naturschutzgebiet der besonderen Art. Goldstein wanderte den ehemaligen Grenzstreifen ab, um für die nötige publicity Vorhaben zu sorgen.

Dass der Himmel bei der gemeinsamen Wanderung von Goldstein und Siegesmund dunkel und grau war, ist durchaus bezeichnend für die Wolken, die über dem Projekt der Umweltministerin hängen. Das ist überraschend, da die Ausweisung als Naturmonument eigentlich ein rot-rot-grünes Wohlfühl-Projekt sein sollte. Seltene Pflanzen, niedliche Tiere, schönes Fotos - was könnte da schief gehen?

Aber obwohl Siegesmund öffentlich nun schon zum zweiten Mal beteuert hat, dass am Grünen Band Natur und Geschichte eng miteinander verwoben seien, ist Babette Winter alles andere als erfreut über den Entwurf eines Eckpunkte-Papiers zu dem Vorhaben, das Siegesmund mit der Bitte um Stellungnahme kürzlich in die Staatskanzlei schickte. Dort arbeitet die SPD-Frau Winter als Staatssekretärin, die innerhalb der Landesregierung federführend dafür zuständig ist, dass das Bündnis aus LINKE, SPD und Grünen sein Versprechen einhält, DDR-Geschichte umfassend aufzuarbeiten. Das Eckpunkte-Papier wiederum soll die Erklärung des Grünen Bandes zum Naturmonument verwaltungstechnisch umsetzen.

Aus Winters Sicht steht in dem Eckpunkte-Papier allerdings nicht viel, was darauf schließen lässt, das Natur und Geschichte in Zukunft am Grünen Band gleichberechtigt berücksichtigt werden. »Deshalb war ich - vorsichtig gesagt - nicht begeistert von dem Papier, sondern habe mich teilweise richtig darüber geärgert«, sagt sie. Stattdessen werde das Papier vom Primat des Naturschutzes dominiert, ohne, dass ausreichend berücksichtigt werde, dass das Grüne Band als Ort der ehemaligen innerdeutschen Grenze auch ein Ort des Erinnerns und damit auch ein Ort für Touristen sei. In dem Papier würden Ursache und Wirkung der Entstehung des Grünen Bandes »ein bisschen verdreht«, sagt Winter.

Das Grüne Band war entstanden, weil die DDR die Grenze so hermetisch abriegelte, dass dort Tiere und Pflanzen vom Menschen fast unbehelligt leben konnten. Deshalb finden sich dort heute Lebewesen, die anderswo sehr selten oder ausgestorben sind.

Vor diesem Hintergrund übt Winter viel Detailkritik an dem Eckpunkte-Papier, das dem »nd« vorliegt und in dem es tatsächlich vor allem um den Naturschutz geht. Winter meint, es könne beispielsweise nicht sein, dass es aufgrund von Regelungen dazu käme, dass der Kolonnenweg an der einstigen Grenze wieder zuwachse - auch wenn das aus Sicht der Naturschützer wünschenswert sei.

»Was bleiben denn dann für Räume für das Erleben und das Erwandern?« Zudem kritisiert die Staatssekretärin, dass über das Papier praktisch ausgeschlossen werde, dass in der Region vorhandene Grenzmuseen in Zukunft aus- oder umgebaut, oder weitere Gedenkanlagen am Grünen Band errichtet werden. »Da kann nicht das Primat des Naturschutzes gelten. Da muss es noch Entwicklungsmöglichkeiten geben, für die der Naturschutz zurückstehen muss.«

Allerdings geht Winter sogar noch über diese Detailkritik hinaus und stellt den gesamten Umgang Siegesmunds mit dem Vorhaben in Frage: Es sei doch nicht im Sinn der Sache und auch nicht des rot-rot-grünen Koalitionsvertrages, zu versuchen, nur aus dem Thüringer Teil des Grünen Bandes ein Naturmonument zu machen, sagt Winter. Dadurch drohe die Gefahr, die Fläche, die durch ganz Europa läuft, »zu zerstückeln«. Besser wäre es gewesen, das Projekt erst einmal mit der eigenen Landesregierung und dann mit anderen Bundesländern abzustimmen, um aus dem gesamten Grünen Band ein Naturmonument zu machen - »bevor man an die Medien geht«, sagt Winter.

Ein Wohlfühl-Projekt ist die Sache mit dem Grünen Band und dem Naturmonument spätestens jetzt nicht mehr.

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