Union will Gesicht zeigen lassen
»Berliner Erklärung« der Innenminister von CDU und CSU mit viel Wahlkampfgetöse
»Die Vollverschleierung widerspricht unserem gesellschaftlichen Konsens. Wir lehnen sie daher ab und fordern, dass alle Menschen ihr Gesicht zeigen.« So steht es in der »Berliner Erklärung«, die die Unions-Innenminister am Freitag nach langer Diskussion verabschiedeten. Die ursprüngliche Fassung sah noch ein Totalverbot der Vollverschleierung vor. Dabei war der Wissenschaftliche Dienst des Bundestag bereits 2010 zu dem Ergebnis gekommen, dass »ein generelles Verbot der Burka im öffentlichen Raum« gegen das Neutralitätsgebot des Grundgesetzes verstoße. Nachdem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und die Kanzlerin in dieser Woche intervenierten, soll das Tragen von Burka oder Niqab nur in bestimmten Bereichen untersagt werden - so im öffentlichen Dienst, in Kitas, Schulen, Universitäten und vor Gericht. Zudem müsse eine Identifizierung da durchgesetzt werden, wo sie notwendig sei, etwa bei Passkontrollen oder im Meldeamt, heißt es in dem Papier, das »nd« vorliegt.
Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU), dem die Erklärung als Wahlkampfhilfe dienen soll, erklärte dazu am Freitag auf einer Pressekonferenz: »Ich will, dass unser Land erkennbar bleibt.« Ohne die Union würde ganz Deutschland bald unter dem Schleier verschwinden, so die schlichte Botschaft. Dabei muss man nur auf die Webseite seines Parteikollegen Wolfgang Bosbach gehen, um nachzulesen, dass es die Regelungen, die die Innenminister nun einfordern, zum Teil längst schon gibt.
So liest man bei Bosbach, dass »das Tragen einer Burka bei der Ausübung eines öffentlichen Amtes (...) derzeit schon in den meisten Bundesländern insbesondere für den Bereich der Schulen und Kindergärten verboten« ist. Berlin und Hessen hätten darüber hinausgehende Regelungen, die sich auch auf Beamte und Angestellte in der Landesverwaltung bezögen. Schwieriger werde es bei Tarifbeschäftigten im Öffentlichen Dienst, so Bosbach mit Verweis auf das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes. Hier dürfe »kein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorliegen«.
Auch das zweite große Thema der Erklärung hat ein hohen Symbolgehalt. Die Unionspolitiker sprechen sich für eine Vermeidung doppelter Staatsangehörigkeiten aus. Ausnahmen von diesem Grundsatz müssten sachlich eng umgrenzt bleiben, heißt es in dem neunseitigen Papier. Zudem sollen Menschen ihre deutsche Staatsangehörigkeit verlieren, wenn sie in Krisengebieten für terroristische Organisationen wie den Islamischen Staat kämpfen. Der Berliner Anwalt Hans-Georg Lorenz, Spezialist für Ausländerrecht, betonte am Freitag gegenüber »nd«: »Nur weil die Union-Bundesminister so etwas beschließen, heißt das noch lange nicht, dass das Gesetz tatsächlich auch so kommt.« Lorenz glaubt, dass ein solches Vorhaben ohne Grundgesetzänderung vorm Bundesverfassungsgericht scheitern wird.
Das Papier der Innenminister enthält weitere sicherheitspolitische Forderungen, die verängstigte Wähler in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern davon abhalten sollen, ihr Kreuz bei der AfD zu machen. So sollen bis 2020 bis zu 15 000 zusätzliche Polizisten bei Bund und Ländern eingestellt werden. Außerdem sollen die Bewaffnung der Beamten verbessert und die Videoüberwachung öffentlicher Plätze ausgebaut werden. Auch den Einsatz der Bundeswehr im Innern will man »über die bereits bestehenden Einsatzmöglichkeiten hinaus erleichtern«.
Der LINKE-Innenpolitiker Jan Korte attestierte den Innenministerin daraufhin, einem »Law-and-Order-Rausch« verfallen zu sein. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek, sprach mit Blick auf das Papier von »Symbolpolitik«, mit der den Menschen nicht gedient sei.
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