Weltkulturerbe in Mali bekommt juristischen Beistand

Der Islamist Ahmad al Faqui al Mahdi muss sich für die Zerstörungen in Timbuktu 2012 verantworten

  • Christa Schaffmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit Spitzhacken, Stahlstangen und Vorschlaghämmern zogen sie durch Timbuktu. Sie begannen, auf Grabmäler einzuhacken und Mauern zu zerschlagen. Am Ende blieben nicht viel mehr als Steinhaufen übrig. In weniger als zwei Wochen waren zehn der bedeutendsten Gebäude der Wüstenstadt im Zentrum des westafrikanischen Landes Mali zerstört.

Im März dieses Jahres leiteten die Richter am Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag erstmals ein Verfahren ein, bei dem der Hauptanklagepunkt in der Vernichtung kultureller Stätten besteht. Die Vernichtung von Kulturgütern spielte auch in früheren Verfahren schon eine Rolle; als Hauptanklagepunkt ist sie jedoch neu. Es war die Regierung Malis, die den IStGH mit den Ermittlungen beauftragte.

Ab Montag steht der mutmaßliche Täter in Den Haag vor Gericht: Ahmad al Faqui al Mahdi (bekannter als Abu Tourab) aus Mali, Mitglied der Al Qaida nahestehenden Terrormiliz Ansar Dine. Er muss sich für die Zerstörung von neun Mausoleen und einer Moschee in Timbuktu verantworten. Der Verdächtige soll 2012 eng mit dem islamischen Gericht zusammengearbeitet haben, das diesen Terrorakt angeordnet hat, und soll auch selbst daran beteiligt gewesen sein. Die Islamisten machten die teils aus Lehm erbauten Heiligtümer aus dem 15. und 16. Jahrhundert dem Erdboden gleich.

Die Ankläger in Den Haag sehen darin ein schweres Verbrechen. »Es geht um mehr als nur um Wände und Steine«, sagte Chefanklägerin Fatou Bensouda bei einer Sitzung im Frühjahr. Die Ankläger werten in der Vernichtung der Stätten einen Versuch der Islamisten, eine Zivilisation auszulöschen. »Solche Angriffe auf religiöse und historische Gebäude fallen in die Kategorie jener Verbrechen, die die Wurzeln eines Volkes zerstören«, sagte Bensouda.

Die Gebäude hätten einen wichtigen Teil der Identität Timbuktus dargestellt, heißt es in der Anklageschrift. Die Bewohner hielten sie in Stand, für Generationen von Gläubigen waren es heilige Orte. Bei den Angriffen kam niemand zu Schaden, doch die Islamisten hätten damit den Menschen psychischen und seelischen Schaden zugefügt, argumentieren die Ankläger.

Mittlerweile wurden die Gebäude mit Hilfe der UNESCO und internationaler Geldgeber wiederhergestellt. In einer vergleichbaren Gefahr wie die Heiligtümer schwebten seinerzeit wertvolle Bücher und Dokumente. Durch den später mit dem Deutschen Afrikapreis ausgezeichneten Archivar Abdel Kader Haidara und seine Helfer konnten damals mehr als 285 000 kostbare Handschriften vor der Vernichtung bewahrt werden. Nach Gebietsgewinnen der Islamisten begann am 11. Januar 2013 die Operation Serval, im Verlaufe derer malische und französische Truppen Teile des Nordens zurückeroberten. Seit April 2013 unterstützt die UNO mit der Mission MINUSMA den Friedensprozess. Bisher gelang es weder, die ursprünglich um Autonomie kämpfenden nichtislamistischen Tuareg im Norden des Landes zu befrieden, noch endete der islamistische Terror in Mali. In Form von Anschlägen und Geiselnahmen drang er zuletzt bis in die im Süden liegende Hauptstadt Bamako vor.

Der Prozess in Den Haag setzt jetzt ein Zeichen in Richtung islamistischer Terroristen, auf deren Konto in Afghanistan, Irak und Syrien viele Zerstörungen von kulturellem Erbe gehen - denken wir nur an die Buddha-Statuen von Bamiyan in Afghanistan 2001, an die im Norden Iraks zertrümmerten Jahrtausende alten Statuen von Ninive oder an die Zerstörung des Triumphbogens und einzigartiger Tempel in der syrischen Wüstenstadt Palmyra durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Die Geschichte des sogenannten Kampfes gegen den Terror, angefangen in Afghanistan, fortgesetzt durch die USA in Irak und später mit Regime-Change-Bestrebungen in Libyen und Syrien wird von der Geschichte der Zerstörung von Weltkulturerbe begleitet.

Den Islamisten in Mali ging es 2012 um Heiligtümer der Sufis, einer mystischen Strömung des Islams, die von fundamentalistischen Gruppen abgelehnt wird. Der IS beruft sich bei seinen barbarischen Akten gegen Kulturgüter auf eine Interpretation des Islam, die bildliche Darstellungen von Menschen und Gott verbietet. Auch »Vielgötterei« muss in einigen Fällen als Begründung für Vernichtung herhalten. Aber vieles deutet darauf hin, dass es sich dabei nur um ideologische Verbrämung handelt. Es fällt auf, dass das Ausmaß der Zerstörung gewachsen ist, seit die Dschihadisten militärisch immer weiter zurückgedrängt worden sind. Ihnen fehlen Erfolgsmeldungen, mit denen sie im Internet vor allem bei manchen jungen Menschen Eindruck schinden und neue Kämpfer gewinnen können. Die kulturelle Zerstörungswut verfolgt das gleiche Ziel wie die Vertreibung religiöser Minderheiten oder ethnische Säuberungen: Es geht um den Aufbau eines neuen, starken und religiös homogenen Staates, wie ihn sich viele Menschen erträumen, die der sunnitisch-arabischen Mehrheit in der Region angehören.

Diese Strategie ist keine islamistische Erfindung, sondern kommt aus dem westlichen Nationalismus und scheiterte bereits mehrfach - siehe die Versuche nach dem Ende des Kolonialismus, willkürlich starke Nationalstaaten zu schaffen. Nicht wenige leiden bis heute an ihren in Staatsgrenzen gezwängten teils ethnischen, teils religiösen Konflikten.

Vor dem Internationalen Strafgerichtshof geht es jetzt um einen Fall, um einen Angeklagten. Wie es zu den Taten kam, welche internationalen und regionalen Rahmenbedingungen sie erst möglich machten, ist nicht Gegenstand der Verhandlungen und kann es nicht sein.

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