Connewitz gegen das Imperium
Antifaschisten wollen vermeintlich rechtsradikales Free-Fight-Event in Leipzig verhindern / Erste Sponsoren sind bereits abgesprungen
Die Veranstalter der »Imperium Fighting Championship« haben in Leipzig fleißig plakatiert. Vier muskulöse, oberkörperfreie Männer blicken von zahlreichen Postern mit grimmigen Blicken auf die Passanten herab. Die breitschultrigen Sportler sind tätowiert, glänzen von dem vielen Öl und tragen zum Zeichen ihrer Härte römische Gladiatorenbekleidung. Mit einem Speer posieren sie vor einer alten Steinruine. Die vor Testosteron triefenden Kämpfer werben für ein »Mixed Martial Arts« (MMA - auch manchmal »Free Fight«)-Turnier, dass am 27. August im Leiziger Kohlrabizirkus stattfinden soll.
Bei dieser modernen Sportart kommt es meist in Käfigen zu Vollkontaktauseinandersetzungen, bei denen Techniken aus verschiedenen Stilen verwendet werden. In den für Zuschauer oft brutal wirkenden Duellen sind Schläge und Tritte, wie auch Boden- und Ringtechniken, erlaubt. Das gefällt auch den Möchtegern-Haudegen, die auf den Plakaten ihre altertümliche Vorstellung von »Männlichkeit« inszenieren. Neuerdings befindet sich jedoch vielerorts neben ihren Gesichtern noch etwas anderes: Ein Aufkleber mit der Aufschrift »Nazi Event!«.
Bereits zum fünften mal in Folge will das »Imperium Fight Team« sein umstrittenes Turnier in Leipzig abhalten. Schon früher gab es die Kritik, dass es sich nicht um ein harmloses Kampfsportevent handelt, sondern um eine Veranstaltung, die maßgeblich von gewaltbereiten Neonazis organisiert wird. Bereits 2015 kündigte die Leipziger Universität den Veranstaltern den Vertrag für die Nutzung der Ernst-Grube-Halle. Das Turnier würde nicht dem Leitbild einer weltoffenen und toleranten Hochschule entsprechen, so damals die Rektorin Beate Schücking. Als im Herbst desselben Jahres die nächste Veranstaltung im »Haus Auensee« stattfinden sollte, distanzierte sich die Rockband Tocotronic in einem öffentlichen Statement. Erst wenige Tage zuvor hatten die Musiker in der beliebten Halle gespielt.
Diesmal will ein antifaschistisches Bündnis das Kampfsport-Event verhindern. Unter dem Motto »Rechte Netzwerke zerschlagen!« soll eine Kampagne die Leipziger über die Hintergründe der Veranstaltung aufklären. Eine große Demonstration ist für Ende August geplant. Für die Aktivisten kommen bei dem Turnier verschiedene, reaktionäre Milieus zusammen: Neonazi-Organisationen, rassistische Bewegungen, die Rotlicht-Szene, Sicherheitsfirmen und Rockergruppen. Ein besonderer Fokus liegt jedoch auf dem Team selbst: »Der Trainer und Kämpfer ist ein einschlägig bekannter Neonazi und Hooligan«, erklärte die Pressesprecherin der Initiative, Laura Ende. Auch andere Sportler sowie einige Sponsoren seien Teil rechter Netzwerke und bereits einschlägig in Erscheinung getreten. Von der Webseite der Veranstaltung ist in dieser Hinsicht nicht viel zu erfahren. Die laut Impressum verantwortliche »Panorama Event GmbH&Co.KG« hat ihren Sitz angeblich im bulgarischen Burgas.
Die sächsische Landtagsabgeordnete der LINKEN Jule Nagel stimmt nichtsdestotrotz der Einschätzung der Antifaschisten zu. »Wir haben es mit einer Systematik zu tun, nicht nur mit Zufällen«, sagte die Politikerin, die im Leipziger Süden ihr Wahlkreisbüro hat. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Nagel bestätigte selbst das sächsische Innenministerium, dass sich unter den Kämpfern des Turniers »einzelne Rechtsextremisten« befinden. Die Landesregierung gehe auch davon aus, dass Hooligans des 1. FC Lokomotive Leipzig an der Veranstaltung teilnehmen könnten. Ein Grund für die Beobachtung durch den Verfassungsschutz sei das aber noch nicht, so die Antwort.
Einschätzungen können sich schnell ändern: »Wir beobachten mit großer Sorge das Eindringen von Neonazis in die Free Fight-Szene«, erklärte noch 2013 Sachsens oberster Verfassungsrichter Gordian Meyer-Plath dem »Spiegel«. »Wer glaubt, beim Free Fight würden sich lediglich einige Spinner die Köpfe einschlagen, unterschätzt die Dimension des Problems - Neonazis setzen den Free Fight gezielt für ihre Propaganda ein.« Die linke Landtagsabgeordnete Nagel sieht auch in Leipzig diese Gefahr: »Wie die Vorgängerveranstaltungen wird auch die kommende nicht nur der Versuch sein, finanziellen Nutzen aus dem Sport zu ziehen und mittelfristig eine erfolgreiche Veranstaltungsreihe zu etablieren.« Es sei vor allem auch eine Leistungsschau neonazistischer Gewaltbereitschaft.
Laut der Stadträtin soll der Leipziger Benjamin B. Trainer des »Imperium Fight Teams« sein und auch zu den Organisatoren des Turniers gehören. Äußerungen des Sportlers in sozialen Netzwerken scheinen dies zu bestätigen. B. galt früher als großes Talent der deutschen »Free Fight«-Szene, doch nach langer Prüfung hatte der MMA-Marktführer UFC den Vertrag des Kämpfers aufgekündigt, bevor dieser überhaupt ein einziges Match für die Organisation bestreiten konnte. Grund waren seit Jahren erhobene Vorwürfe von Verbindungen ins rechtsradikale Milieu. B. streitete die Anschuldigen vehement ab und erklärte, er sei ein unpolitischer Kämpfer.
Der »Spiegel« zitierte 2015 jedoch einen szenekundigen Beamten, laut dem B. mindestens am Rande einer Veranstaltung von Legida gesehen worden war. Ein älteres Foto im Internet soll ihn darüber hinaus in einer Gruppe von Männern vor einem Plakat zeigen, auf dem steht: »Ultras Lok - Nationaler Widerstand«. Laut dem »Spiegel« werden die Personen der rechten Hooligangruppe »Szenario Lok« zugeordnet. Die vom Verfassungsschutz beobachtete Vereinigung hatte sich 2014 offiziell aufgelöst. Mitglieder treiben in Leipzig jedoch weiter ihr Unwesen. Von knapp 250 Neonazis und Hooligans, die Anfang Januar den linksalternativen Stadtteil Connewitz überfallen haben, sind 41 Verdächtige dem FC Lok Leipzig zuzurechnen, erklärte das sächsische Innenministerium auf eine Kleine Anfrage der Linken-Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz. Sechs Beschuldigte werden dem aufgelösten »Scenario Lok« zugerechnet.
Gerade für Leipziger Linke ist das angekündigte Turnier deshalb eine außerordentliche Provokation. Der geplante Veranstaltungsschauplatz ist der in der Südvorstadt gelegene Kohlrabizirkus, der berüchtigte Stadtteil Connewitz ist nicht weit entfernt. In dem Bezirk hatten im Januar Rechtsradikale und Hooligans aus mehreren Bundesländern in einem organisierten Überfall Scheiben eingeschlagen und Anwohner angegriffen. Zahlreiche Geschäfte in der Wolfgang-Heinze-Straße wurden zerstört, der Sachschaden belief sich auf mehrere Zehntausend Euro. Die Abgeordnete Köditz erklärte unter Berufung auf Augenzeugenberichte, dass bei der Randale unter anderem auch Messer und Äxte mitgeführt wurden. Viele Antifaschisten hatten zu dem Zeitpunkt gegen eine gleichzeitig stattfindende Legida-Veranstaltung protestiert. Laut der Kampagnensprecherin Laura Ende könnten nun einige der Angreifer wiederkommen: »Wir rechnen am 27. August mit vielen Neonazis, die unter anderem am 11. Januar am Angriff in Connewitz beteiligt waren«
Gleichzeitig ist auch der Kohlrabi-Zirkus ein sensibler Ort für die Leipziger Linke. Zum einen liegt hier der in der alternativen Szene beliebte Club »Institut für Zukunft«. Andererseits war hier das Kampfsportstudio »8 Weapons Gym« ansässig. Der Verein wurde von vielen Antifaschisten und Migranten besucht und hatte sich auch öffentlich gegen Legida positioniert. Wenige Tage vor den Krawallen in Connewitz gingen die Räume überraschend in Flammen auf, die Leipziger Polizei geht von Brandstiftung aus. Auch ein rechter Hintergrund der Tat werde geprüft, erfuhr die »LVZ« aus Behördenkreisen. Katja Renner, die Verantwortliche des Kohlrabi-Zirkus, zeigte sich gegenüber dem Stadtmagazin »Kreuzer« bezüglich des MMA-Turniers überrascht. Sie wisse nichts von Verbindungen zur rechtsradikalen Szene, ihre Kontakte seien immer seriös gewesen. Man wolle die Informationen nun prüfen.
Der Veranstaltungsort mag in seiner Einschätzung noch zögern. Bei den Sponsoren konnte der öffentliche Druck jedoch schon erste Erfolge verbuchen. Laut der antifaschistischen Kampagne »Rechte Netzwerke zerschlagen!« hat sich das Secruity-Unternehmen »Löwen-Sicherheit« mittlerweile von dem Turnier distanziert. Man sei über die politischen Hintergründe nicht informiert gewesen, heißt es. Auch die Biermarke Holsten Pils will nicht mehr als Sponsor zur Verfügung stehen. Das Unternehmen Carlsberg, zu dem auch Holsten Pils gehört, hätte erklärt, von der Logo-Verwendung für das Event nichts gewusst zu haben. Rechtliche Schritte wurden angekündigt. Kampagnensprecherin Laura Ende ist zufrieden: »Die bürgerliche Fassade der Imperium Fighting Championship bröckelt.«
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