Auf zum letzten Gefecht gegen CETA und TTIP
Gegner wollen erneut Zehntausende gegen Abkommen mit Kanada und den USA auf die Straße bringen
Es werde die größte Demonstration der vergangenen zehn Jahre, ein »politisches Erdbeben«, zeigt sich Christoph Bautz vom Netzwerk Campact am Mittwoch in Berlin zuversichtlich. Rund 30 Organisationen wollen kurz vor dem Treffen der EU-Handelsminister am 23. September in Bratislava ein deutliches Zeichen gegen das bereits ausgehandelte Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und Kanada setzen. Sie fordern den sofortigen Stopp der Verhandlungen über TTIP und die Aussetzung der Ratifizierung von CETA.
Für den 17. September planen die rund 30 Organisationen aus Gewerkschaften, Wohlfahrts- und Umweltverbänden, Kirchen, Verbraucherschützern, Entwicklungsorganisationen und kleinen und mittleren Unternehmen sieben parallele Großdemonstrationen in Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart. Ein Zeichen setzen wollen die CETA-Gegner dabei nicht nur für die EU-Handelsminister: Da das Abkommen in allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden muss, setzen sie in Deutschland besonders auf die SPD. Die Sozialdemokraten planen am 19. September in Wolfsburg einen Parteikonvent zum Thema.
Der Ausgang ist ungewiss. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der bei seinen Genossen die Werbetrommel für das seiner Meinung nach »sehr gute Abkommen« rührt, bekam am Dienstag Unterstützung von Hannelore Kraft. Sie hoffe, dass CETA zustande komme, sagte die Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens und Vize-Chefin der Bundes-SPD der »Aachener Zeitung«. CETA sei »viel positiver zu bewerten als TTIP«, das geplante und ebenfalls sehr umstrittene Abkommen mit den USA.
Die SPD-Linke stellt sich weiter gegen CETA und sieht rote Linien eines Parteibeschlusses zum Abkommen überschritten. »Die Bedingungen der SPD sind nicht erfüllt«, sagte der Sprecher der parlamentarischen Linken, Mattias Miersch, am Dienstag im ARD-Morgenmagazin. Er forderte Nachverhandlungen und sprach sich zudem dagegen aus, CETA vorläufig in Kraft treten zu lassen. Auch Klaus Barthel, Vorsitzender der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen sagte, das Abkommen sei so, wie es auf dem Tisch liegt, »nicht zustimmungsfähig«. In der Bevölkerung und in der Partei gebe es »klare Mehrheiten« gegen CETA.
Für die Ratifizierung in den Mitgliedstaaten ist jedoch nicht nur die SPD in einer gewichtigen Position. Durch den Bundesrat könnten auch die Grünen dem Abkommen eine Mehrheit entziehen. Ein Großteil der Grünen spricht sich zwar gegen CETA aus, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, aber ist ein klarer Befürworter des Investitionsschutzabkommens. »Hier vermissen wir momentan klare Worte«, erklärte Campact-Geschäftsführer Bautz.
Im Mittelpunkt der Kritik an dem Abkommen mit Kanada, das als Blaupause für weitere Vereinbarungen gilt, steht nach wie vor die Paralleljustiz für Investoren. Zwar habe die EU hier eine Reform erreicht, aber es gebe noch zu viele dehnbare Rechtsbegriffe, sagte der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske. »Ein demokratisch bestimmtes Gemeinwesen mit hohen sozialen Standards muss Vorrang vor Sonderrechten für grenzüberschreitend tätige Investoren und Unternehmen behalten«, erklärte er und forderte Nachverhandlungen. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, sprach von einer »Ökonomisierung des Sozialen«; der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats Olaf Zimmermann sieht die kulturelle Vielfalt durch CETA gefährdet. Das Bündnis fordert stattdessen eine partnerschaftliche, faire Handelspolitik.
Einig sind sich die Organisatoren auch beim transatlantischen Charakter ihres Protestes: Sie distanzierten sich erneut deutlich von nationalistisch motivierter Freihandelskritik. »Es ist eine Bürgerbewegung, in der alle willkommen sind – außer von rechts außen«, bekräftigte Bautz.
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